Joseph Kony, Anführer der Lord’s Resistance Army in Uganda, wird seit 2005 per Haftbefehl vom IStGH gesucht. Bisher konnte er nicht gefasst werden. Dies soll die Kampagne “Kony 2012″ ändern (mehr dazu hier). Nunmehr sind Gerüchte laut geworden (hier und hier, die arabische Meldung auf der Originalwebseite der SLM-MM hier kann ich leider nicht lesen), wonach Kony in Darfur sein soll. Ob dies wahr ist, kann kaum beurteilt werden. Die Gerüchte werden von Mini Minawis Sudan Liberation Movement (SLM-MM) gestreut. Minawi war Rebellenführer, nach dem Friedensabkommen von 2006 Mitglied der sudanesischen Zentralregierung und nach deren Scheitern ist er wieder Rebellenführer. Die Meldung mag daher nur der Versuch sein, von der Aufmerksamkeit für Kony zu profitieren.

Die Staatenwerdung des Südsudan hat die Staatengemeinschaft begleitet. Dazu gehört auch die “UN Interim Security Force for Abyei“,kurz UNISFA, die die umstrittene Region Abyei schützen soll. Das Mandat der UNISFA aus der Sicherheitsratsresolution 1990 (2011) vom 27.6.2011 umfasst vor allem dieÜberwachung der Entmilitarisierung von Abyei, die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden und den Schutz der Erdölförderanlagen (näheres hier).

Ende November hat der VN-Generalsekretär dem Sicherheitsrat Bericht über die Situation erstattet (S/2011/741 vom 27.11.2011, hier). Die Situation in Abyei sei stabil, aber unvorhersehbar. Zwar sei die Region weitestgehend demilitarisiert, was auch den regelmäßigen Patrouillen der UNISFA zu verdanken sei. Aber vereinzelt sind Soldaten der SLPA und Einheiten der südsudanesischen Polizei dort zu finden. Gerade jetzt, wo die Rückkehr der Vertriebenen eingesetzt habe, stelle die Präsenz der Soldaten und Polizisten aber ein Risiko dar. Noch immer sträubten sich die Parteien des Konflikts, der Sudan und Südsudan, das Abkommen vom 20.6.2011 über Abyei zu implementieren. Von einer gemeinsamen Übergangsverwaltung sei man weit entfernt. Die humanitäre Situation der mehr als 110.000 Flüchtlingen habe sich ebenfalls stabilisiert. Der Generalsekretär empfahl abschließend, das Mandat der UNSIFA um weitere sechs Monate zu verlängern.

Der Sicherheitsrat hat daraufhin das Mandat der UNISFA ausgeweitet. Nunmehr ist die Schutztruppe auch zur Überwachung einiger anderer Abkommen zuständig, die die beiden Konfliktparteien seit dem Erlass der Res. 1990 (2011) geschlossen haben. Ausdrücklich verlängert hat der Sicherheitsrat das Mandat nicht. Da aber das Mandat ausgeweitet wurde, kann es nur bedeuten, dass der Sicherheitsrat die Verlängerung auf unbestimmte Zeit beschlossen hat. Rechnet der Sicherheitsrat also mit langer Präsenz der UNISFA in Abyei?

 

 

SR Res. 2024 (2011) vom 14.12.2011

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am Montag Berichte der truppenstellenden Staaten der United Nations – African Union Hybrid Mission in Darfur gehört. Leider sind weder die Stellungnahmen noch etwaige Ergebnisse öffentlich zugänglich.

Manuel Brunner, Mitarbeiter der Universität Hannover, hat sich in einem Bofax der Universität Bochum zu der neuen Friedensmission im Südsudan geäußert. Dabei bleibt Manuel skeptisch, ob die UNMISS Erfolg haben wird. So würden insb. die bisherigen Beispiele von ähnlichen Friedensmissionen in Afrika wenig Grund zur Hoffnung geben. Angesichts der vielen Friedenstruppen in der Region und der Anteilnahme der Staatengemeinschaft an der Geburt des Südsudans sehe ich die Lage optimistischer. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Weltöffentlichkeit den Südsudan nicht wieder vergißt und weiterhin in der Konfliktlösung engagiert bleibt.

Der Sudan hat angekündigt, allen auf seinem Gebiet lebenden Südsudanesen die sudanesische Staatsangehörigkeit zu entziehen. Das war bereits für den Fall eines erfolgreichen Referendums angekündigt worden. Den Erfolg des Referendums kann man seit Samstag sehen – oder hier und hier und hier.

Der Entzug bietet die Gelegenheit, über ein paar Dinge zu sprechen.

Die Staatsangehörigkeit im Völkerrecht

Der Sudan ist, wie jeder Staat der Welt, grundsätzlich frei, über die Verleihung oder den Entzug seiner Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Die Frage gehört zum Kernbereich seiner Souveränität und wird durch das Völkerrecht nicht beeinflusst. Einzig soll vermieden werden, dass Individuen staatenlos werden.

Da die Südsudanesen, die bislang die sudanesische Staatsangehörigkeit haben und vom Entzug betroffen sind, aber die neue südsudanesische Staatsangehörigkeit erhalten haben (davon gehe ich nach dem Bericht in der FAZ aus), werden diese aber gerade nicht staatenlos.

Genuine link?

Das Kriterium des sogenannten „genuine link“ ist für die Verleihung und den Entzug der Staatsangehörigkeit gerade keine Voraussetzung, auch wenn das häufig berichtet wird.

Das Merkmal „genuine link“ hat der Internationale Gerichtshof (IGH) im Nottebohm-Fall „entwickelt“. In dem Fall ging es um folgendes:

Herr Nottebohm war Angehöriger des deutschen Reichs. Er wanderte kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert nach Guatemala aus. Deutschland besuchte er in der Folge kaum noch. Er befand sich Ende 1939 in Hamburg und fuhr für einen Kurzbesuch zu seinem Bruder, der nicht mehr in Deutschland, sondern in Liechtenstein lebte. Herr Nottebohm entsagte dort seiner deutschen Staatsangehörigkeit und nahm, gegen die Zahlung einer Gebühr, die liechtensteinische Staatsangehörigkeit an.

Im Jahr 1941 erklärte Guatemala Deutschland den Krieg. In der Folge enteignete das Land alle deutschen Staatsangehörigen, auch Herrn Nottebohm, sie waren nunmehr schließlich Angehörige des Feindes. (Gerüchten zufolge erklärte Guatemala Deutschland wegen Herrn Nottebohms Vermögen den Krieg, denn dieser war inzwischen reich geworden. Ob die Gerüchte stimmen, kann ich nicht beurteilen, sie geben dem Sachverhalt aber Pfiff.)

Liechtenstein klagte gegen Guatemala und übte diplomatischen Schutz zugunsten seines Staatsangehörigen aus.

Der IGH wies die Klage ab und begründete seine Entscheidung mit dem „genuine link“: Diplomatischer Schutz sei eben nur zulässig, wenn zwischen dem Staatsangehörigen und dem Staat, der ihn im internationalen Verkehr vertreten möchte, eine hinreichend gefestigte Beziehung bestünde. Der Aufenthalt des Bruders Nottebohm und der Kauf der liechtensteinischen Staatsangehörigkeit reichten dafür nicht aus.

Allerdings sagte der IGH eben deutlich, dass dieses Kriterium nur für die Ausübung diplomatischen Schutzes existiert. Einen Einfluss auf Verleihung oder Entzug der Staatsangehörigkeit hat es nicht, vielmehr bleibt die Frage der Staatsangehörigkeit eine Frage des nationalen Rechts.

Damit ist auch für den Sudan ohne Belang, wie sehr die Südsudanesen sich noch als Sudanesen fühlen.

Kriterien zum Entzug der Staatsangehörigkeit

Interessant ist, an welches Kriterium der Sudan bei dem Entzug anknüpft. Die Frage, wer Südsudanese ist, dürfte schwer zu klären sein. Alle Anknüpfungspunkte, die man sich vorstellen kann, wären wohl ein klarer Verstoß gegen Menschenrechte: In Betracht kamen die Religion oder die ethnische Zugehörigkeit. Der Sudan macht es sich aber einfach und sieht als Südsudanesen alle an, die eine Abstimmungskarte für das Unabhängigkeitsreferendum beantragt hatten. Das ist zulässig und konsequent. Denn an dem Referendum dürften nur Südsudanesen teilnehmen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt als Südsudanese empfand, soll sich damit wie einer verhalten und auch Südsudanese auf dem Papier werden.

Bitter ist dies für Wähler, die gegen die Unabhängigkeit gestimmt haben. Zugegeben, es waren nur wenige, aber diese dürften umso mehr enttäuscht sein und jede Restloyalität gegenüber dem Sudan verloren haben.

(Quelle: FAZ vom 15. Juli 2011, S. 5).

Am Donnerstag hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Südsudan in die Organisation aufgenommen. Nicht einmal eine Woche ist der Staat alt und schon voll in die internationale Gemeinschaft integriert. Mir ist kein Fall bekannt, indem ein Staat schneller in die VN aufgenommen wurde.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am 11. Juli den Aufnahmeantrag Südsudans an das Committee on the Admission of New Members verwiesen. Damit ist der erste Schritt getan, dass der Südsudan demnächst das 193. Mitglied der Vereinten Nationen wird. Mit einer Entscheidung ist demnächst zu rechnen, vielleicht noch im Juli.

Für die Leser, die der genaue Ablauf interessiert, hat der Security Council Monitor eine ausführliche Übersicht zusammengestellt:

  • The new state submits an application to the Secretary-General containing a formal declaration accepting the obligations of the UN Charter.
  • The Secretary-General sends a copy of the application to the General Assembly and to the Council. The Council will consider the application at a formal closed meeting and adopt an agenda usually titled “Admission of New Members”.   At this initial session the Council usually agrees that the application should be referred by the President of the Council to a Committee of the Security Council.
  • The Committee examines the application and reports its conclusions to the Council no later than 35 days before a regular session of the General Assembly or no later than 14 days before a Special Session of the General Assembly. (In recent years the practice has been for the Council to complete its consideration rather quickly. For instance, the interval between the first meeting of the Council to consider an application, the committee meeting and the second open meeting of the Council where it adopts its recommendation to the General Assembly is often held within a twenty-four hour period).
  • As membership is a substantive issue nine of the fifteen members of the Council, including all five of the permanent members, must agree to the admission of the new state. Among the criteria for admission is whether the new state is peace-loving and is able and willing to carry out the obligations contained in the Charter.
  • If the Committee recommends admission it usually presents the Council with a draft resolution recommending admission of the new state for consideration by the General Assembly.
  • If the Council recommends admission, the recommendation is presented to the General Assembly for consideration. The Council cannot make its recommendation less than 25 days ahead of a regular session of the General Assembly or less than four days ahead of a special session.  However, under special circumstances, the Council may waive the time limits.  This occurred most recently in 2000 when the Council waived the time limit for Tuvalu and Yugoslavia so that their applications could be considered by the General Assembly’s 55th session.
  • A two-thirds majority is needed in the General Assembly for admission of a new member, and membership is effective on the date that the resolution of admission is adopted.
  • If the Council decides not to recommend the new state for admission or postpones consideration of the application, it has to submit a special report to the General Assembly.  The General Assembly considers this special report and sends the application back to the Council with a full record of its discussion for further consideration and recommendation. While most applications for membership have gone through smoothly, there have been contentious cases. For example, In 1955 Mongolia’s bid for membership was thwarted by China’s veto (when the seat was filled by the Republic of China (ROC) and not the People’s Republic of China (PRC)) as it saw Mongolia as part of China. This postponed the admission of Mongolia until 1960, when the Soviet Union announced that unless Mongolia was admitted, it would block the admission of all of the newly independent African states.  As recently as 2000 China abstained from voting on Tuvalu’s membership as it objected to the fact that Tuvalu had diplomatic relations with Taiwan.

Die FAZ berichtet heute über den Besuch von Omar al-Bashir in China.

Bashir, der mit einem Haftbefehl wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gesucht wird, reiste nach China, um die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Staaten zu stärken. China stellt für den Sudan den wohl wichtigsten Handelspartner dar. Die Chinesen beziehen den Löwenanteil des sudanesischen Öls, der einen deutlichen Anteil ihres eigenen Ölimports ausmacht.

Ganz abgesehen von dem Haftbefehl sind diese Beziehungen aber gespannt: In den nächsten Tagen wird der Südsudan unabhängi. Im Südsudan aber befinden sich aber die großen sudanesischen Ölvorkommen. China ist daher an einem guten, zumindest friedlichen, Verhältnis der beiden sudanesischen Staaten gelegen (zu den letzten Konflikten siehe hier).

Der Haftbefehl selbst kann den Chinesen rechtlich gleichgültig sein, denn weder ist China Vertragspartei des IStGH-Statuts noch ist China über die Res. 1593 (2005) zur Kooperation mit dem Gerichtshof verpflichtet.