Nationale Dimension

Der Südsudan

Anfang der 1980er Jahre begann im Süden des Sudan ein Bürgerkrieg, mit dem sich christliche Afrikaner gegen die Zentralregierung zur Wehr setzen wollten. Die Zentralregierung reagierte im Rahmen ihrer Politik der Arabisierung und begann Mitte der 1980er Jahre, arabische Stämme in Darfur mit Waffen auszurüsten und sie auszubilden. Nach der Ausbildung wurden diese Milizen dann im Süden gegen die Rebellen eingesetzt.

Im Januar 2004 wurde der Konflikt im Südsudan beendet. Die Sudan People’s Liberation Army (SPLA, früher Movement/SPLM) und die Regierung konnten sich auf ein Rahmenabkommen einigen, das mit wichtigen Punkten der Macht- und Reichtumsteilung ergänzt wurde. Hintergrund war, dass sich sowohl im Südsudan als auch in Darfur Ölvorkommen befinden, an deren Ausbeutung die unterschiedlichen Akteure interessiert sind. Im Juli 2011 soll nach einer Volksabstimmung im Südsudan die Unabhängigkeit vom Gesamtsudan erklärt werden. Damit beginnt ein Zerfall des „Experiments Sudan“, das afrikanische und arabische Teile des afrikanischen Kontinents zusammenhalten sollte.

Marginalisierung Darfurs und Widerstände

1994 wurde die Verwaltung des Sudan umorganisiert, in diesem Zuge wurde die Auflösung des Staates Darfur in drei kleinere Staaten vorgenommen. Von Nachteil war dies vor allem für die Fur. Diese siedeln im zentralen Darfur und stellen dort die Mehrheit. Ihr Siedlungsgebiet wurde durch die drei neuen Staaten zerschnitten, sodass die Fur jetzt in jedem der drei Staaten in der Minderheit sind.

Gegen die Marginalisierung organisierte sich Widerstand: 2002 und 2003 bildeten afrikanische Stämme in Darfur zwei Rebellenorganisationen. Einmal wurde die Darfur Liberation Front gegründet (DLF), die sich bald in Sudan Liberation Movement bzw. Army (SLM/A) umbenannt hat. Sie besteht zum großen Teil aus Bauern. Die andere Organisation – das Justice and Equality Movement (JEM) – setzt sich aus ehemaligen Anhängern der NIF zusammen. Die Rebellen haben nach eigenen Angaben mehr als 27.000, nach unabhängigen Schätzungen ungefähr 10.000 Mitglieder.

Auf der anderen Seite stehen arabische Milizen, die so genannten Janjaweed. Im Kern bedeutet der Begriff soviel wie „bewaffnete Reiter“, teilweise wird auch die Übersetzung „Teufel mit Gewehr und Pferd“ angegeben. Schätzungen gehen davon aus, dass die arabischen Milizen aus mindestens 20.000 Mann bestehen.

Unter ihrem Anführer Musa Hilal verbreiten diese Milizen Angst und Schrecken bei der Zivilbevölkerung. Sie greifen Dörfer an, plündern, brandschatzen, vergewaltigen und töten. Ziel der Angriffe sind längst nicht mehr die gegnerischen Rebellen, sondern die Zivilbevölkerung. Ihre Angriffe folgen dabei einem besonders brutalem Muster: Reguläre Streitkräfte umzingeln ein Dorf, bevor dieses Dorf mit Bodentruppen und teilweise auch mit Kampfhubschraubern angegriffen werden. Nach dem Angriff lösen die Janjaweed die Streitkräfte ab. Männer und ältere Personen werden nach dem Einmarsch getötet, Frauen und Mädchen vor den Hinrichtungen vergewaltigt. Lebensmittel, Vorräte und andere lebensnotwendigen Gegenstände, v. a. Brunnen, werden zerstört und Nutztiere getötet. Diese Gewaltorgien können mehrere Tagen dauern. Sind genug Kämpfer vorhanden, marschieren diese in kilometerlangen Linien durch Darfur und überrennen jedes Dorf, das in ihrem Weg liegt.

Die Janjaweed sind nicht in die militärische Struktur des Sudan eingegliedert. Sie sind Private, die wohl unter starker Kontrolle der Zentralregierung stehen. Nicht zu verwechseln sind die Janjaweed mit den Popular Defence Forces (PDF), einer Miliz, die in reguläre militärische Verbände integriert wurde. In der Praxis ist es allerdings fast unmöglich, die drei kämpfenden Gruppen auf staatlicher Seite zu unterscheiden, auch weil die Janjaweed oft die Uniformen der Streitkräfte tragen.

Das Ende des Bürgerkriegs im Südsudan und die Auswirkungen auf Darfur

Während das Friedensabkommen von Naivasha den Bürgerkrieg im Süden beendet hat, trug es zur Verschärfung des Darfur-Konflikts bei. Zum einen war es für die Zentralregierung möglich, Streitkräfte und Milizen nach Darfur zu verlegen. Zum anderen haben die Rebellen in Darfur ein klares Ziel vor Augen: Sie möchten dieselben Regelungen erreichen, wie die Rebellen im Südsudan.

Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass die sudanesischen Zentralregierung die Spannungen, die seit Langem zwischen verschiedenen Stämmen bestehen, ausgenutzt und die Gewalt auf eine neue Ebene gehoben hat.

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