Lokale Dimension

Darfur: Geographie, Geschichte und Glauben

Geographie

Darfur ist in drei Verwaltungseinheiten geteilt: Nord-, West- und Süd-Darfur. Darfur grenzt direkt an Libyen, Tschad und die Zentralafrikanische Republik. Auf einer Fläche von der Größe Frankreichs lebten vor dem Ausbruch des Konflikts ungefähr sechs Millionen Menschen, die sich, je nach Zählung, 40 bis 120 verschiedenen Ethnien zuordnen lassen. Der überwiegende Teil Darfurs ist trocken und für Landwirtschaft wenig geeignet, erst im Süden wird der Boden fruchtbarer.

Bevölkerung

Ursprünglich wurde die Region von Stämmen besiedelt, die über die Jahrtausende sesshaft und zu Bauern wurden. Ihr Siedlungsgebiet ist größer als die heutigen drei Verwaltungseinheiten, vor allem der Nachbar Tschad gehört zum traditionellen Siedlungsgebiet der Bewohner Darfurs. Von dem größten Stamm hat die Gegend ihren Namen: Die Fur sind im zentralen Darfur die dominierende Gruppe; „Dar“ bedeutet auf Arabisch „Land“ oder „Gebiet“. Zu den „afrikanischen“ Stämmen zählen vor allem noch die Zaghawa und Massalit.

Im 14. Jahrhundert kamen arabische Stämme aus dem Norden nach Darfur. Sie behielten ihre nomadische Lebensweise bei und zogen mit ihren Rinder- bzw. Kamelherden in der Trockenzeit in den Süden. Diese Grobgliederung in Rinderzüchter und Kamelzüchter teilt dabei auch die „arabische“ Bevölkerung in baggara (Rinder-) und abbala (Kamelzüchter).

Die ethnische Aufteilung in „Afrikaner“ und „Araber“ wird heute stark vereinfachend als Ursache des aktuellen Konflikts angesehen. Unbestritten spielt die ethnische Zugehörigkeit eine wichtige Rolle, auch wenn die wirklichen Hintergründe des Konflikts wesentlich vielschichtiger sind. Denn die ethnische Zugehörigkeit wird für andere Interessen ausgenutzt und verschärft so die Auseinandersetzungen. Beide Gruppen haben sich über die Zeit – auch das Physiognomie nach – einander angenähert, immer wieder kam es zu erzwungenen oder freiwilligen Ehen zwischen den Stämmen oder Ethnien. Mitunter soll es ausreichen, seinen Hof zu verkaufen um Rinder bzw. Kamele zu züchten und damit seine ethnischen Zugehörigkeit zu „wechseln”. Somit kann der ethnische Aspekt nicht die Ursache für den Konflikt darstellen.

Geschichte

Mit kürzeren Unterbrechungen war Darfur bis 1916 ein unabhängiges Sultanat. Erst als der Sultan Ali Dinar im Ersten Weltkrieg auf die falsche Seite gesetzt hatte, marschierten britische Truppen in Darfur ein und bezogen Darfur in die Verwaltung des Sudans, den sie mit den Ägyptern gemeinsam verwalteten, ein. Im Jahr 1956 wurde der Sudan unabhängig. Im Jahr 1969 kam durch einen Putsch Oberst Jafar Mohammed an-Numeiri an die Macht, der 1985 durch einen erneuten Putsch gestürzt wurde. Schon zu an-Numeiris Zeiten wurde der Sudan immer wieder von blutigen Gefechten zwischen Regierung und Rebellen, die einen islamischen Gottesstaat errichten wollten, erschüttert.

Im Juni 1989 kam (durch einen Putsch) General Omar Hassan al-Bashir an die Macht, dessen Regierung der Nationalen Islamischen Front (NIF) bis heute amtiert. Prominentes Mitglied dieser Bewegung ist Hassan al-Turabi, der die ideologische Grundlage der NIF entwickelt hat, allerdings 1999 geschasst wurde und seitdem immer wieder im Zusammenhang mit dem Darfur-Konflikt in Erscheinung tritt.

Seit der sudanesischen Unabhängigkeit stammt die politische und militärische Elite aus dem Norden des Landes. Die arabische Bevölkerungsgruppe stellte bis heute alle Präsidenten des Sudan. Dies hatte u.a. zur Folge, dass die Randregionen des Sudan nicht am wirtschaftlichen Aufschwung des Landes teilhaben konnten. So wurde Nyala, die heutige Hauptstadt Süddarfurs, erst in den 1950er Jahren an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Darfurs historisches Zentrum al-Fascher, heute Hauptstadt Nord-Darfurs und mit ca. 250.000 Einwohnern die größte Stadt Darfurs, hat bis heute keine Eisenbahnanbindung.

Glauben

Die arabischen Stämme brachten den Islam in den Sudan, dabei wurde auch Darfur „missioniert“. Spätestens im 17. Jahrhundert wurde der Islam so die dominierende Religion in Darfur, heute sind fast alle Bewohner islamischen Glaubens. Anders als im Konflikt im Süden des Sudan (s. nationale Dimension) ist die religiöse Zugehörigkeit also weder wirkliche noch vorgeschobene Ursache für den heutigen Konflikt. Davon zeugen auch die Erklärungen der Konfliktparteien, denn keine Seite beruft sich auf einen heiligen Kampf gegen Andersgläubige.

Relevant wird der Glaubensaspekt erst durch eine teilweise geäußerte Vermutung: Die sudanesische Zentralregierung habe erst nach den Attentaten vom 11. September 2001 eine Offensive gegen die Bewohner Darfurs starten können. Denn zu diesem Zeitpunkt hätten sich westliche Staaten nicht für einen Konflikt unter Muslimen interessiert.

Zusammenfassung: Die lokale Dimension des heutigen Konflikts

Aufgrund der fortschreitenden Verwüstung Darfurs wurden die Kämpfe um die natürlichen Ressourcen Wasser und Weideland immer intensiver. Logischerweise entstehen die größten Konflikte zwischen den Bauern und den Nomaden, die auf die bäuerlichen Felder ziehen. Diese Konflikte sind nicht neu, schon seit Beginn der nomadischen Wanderungen existieren sie. Bis zum Anfang des dritten Jahrtausends konnten sie allerdings durch traditionelle Methoden beigelegt und geschlichtet werden. In den meisten Fällen trat dabei eine dritte Partei als Vermittler auf und ein Blutgeld wurde als Lösung vereinbart. Erst Mitte der 1980er Jahre wurden diese Konflikte blutiger und eine Lösung schwieriger. Erklärlich wird dies durch einen Blick auf die nationale Dimension.