Der Sicherheitsrat hat sich nach langer Pause erneut mit der Situation in Darfur befasst (Pressemitteilung über die Sitzung).

Der Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen für Peacekeeping-Operationen, hat den Sicherheitsrat am Dienstag über die Fortschritte informiert. Er bezog sich vor allem auf den Friedensvertrag von Doha vom Juli 2011. Die Zentralregierung des Sudan hat mit dem Liberation and Justice Movement (LJM) den Wiederaufbau staatlicher Strukturen unter Teilnahme der Rebellen vereinbart. Dieser Aufbau gehe gut voran, auch dank der Hilfe der internationalen Gemeinschaft und UNAMID. Dennoch komme es vereinzelt zu Gefechten zwischen Soldaten und Rebellen. Bei einem Gefacht wurden am 10. Oktober drei Soldaten der UNAMID getötet.

Der sudanesische Vertreter bei den VN, der bei der Sitzung am Dienstag anwesend war, berichtete von den Anstrengungen seiner Regierung. So seien zwei Milliarden US-Dollar für Darfur bereitgestellt worden. Zu bedauern seien aber die weitreichenden Verschwörungen, die den Sturz der Zentralregierung in Khartum herbeiführen möchten. Er verwies insbesondere auf das Sudan People’s Liberation Movement – Northern Sector – eine Abspaltung der damaligen SPLM/A, die heute die Regierung im neuen Staat Südsudan stellt (siehe auch hier und hier und vor allem hier).

Ob sich damit die Lage langfristig beruhigt, bleibt zweifelhaft. So ist insb. die Teilnahme von nur einer Rebellenorganisation nicht ausreichend, um die Interessen aller am Konflikt beteiligten Parteien in einem umfassenden Friedensabkommen zu berücksichtigen.

Manuel Brunner, Mitarbeiter der Universität Hannover, hat sich in einem Bofax der Universität Bochum zu der neuen Friedensmission im Südsudan geäußert. Dabei bleibt Manuel skeptisch, ob die UNMISS Erfolg haben wird. So würden insb. die bisherigen Beispiele von ähnlichen Friedensmissionen in Afrika wenig Grund zur Hoffnung geben. Angesichts der vielen Friedenstruppen in der Region und der Anteilnahme der Staatengemeinschaft an der Geburt des Südsudans sehe ich die Lage optimistischer. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Weltöffentlichkeit den Südsudan nicht wieder vergißt und weiterhin in der Konfliktlösung engagiert bleibt.

Der Sudan hat angekündigt, allen auf seinem Gebiet lebenden Südsudanesen die sudanesische Staatsangehörigkeit zu entziehen. Das war bereits für den Fall eines erfolgreichen Referendums angekündigt worden. Den Erfolg des Referendums kann man seit Samstag sehen – oder hier und hier und hier.

Der Entzug bietet die Gelegenheit, über ein paar Dinge zu sprechen.

Die Staatsangehörigkeit im Völkerrecht

Der Sudan ist, wie jeder Staat der Welt, grundsätzlich frei, über die Verleihung oder den Entzug seiner Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Die Frage gehört zum Kernbereich seiner Souveränität und wird durch das Völkerrecht nicht beeinflusst. Einzig soll vermieden werden, dass Individuen staatenlos werden.

Da die Südsudanesen, die bislang die sudanesische Staatsangehörigkeit haben und vom Entzug betroffen sind, aber die neue südsudanesische Staatsangehörigkeit erhalten haben (davon gehe ich nach dem Bericht in der FAZ aus), werden diese aber gerade nicht staatenlos.

Genuine link?

Das Kriterium des sogenannten „genuine link“ ist für die Verleihung und den Entzug der Staatsangehörigkeit gerade keine Voraussetzung, auch wenn das häufig berichtet wird.

Das Merkmal „genuine link“ hat der Internationale Gerichtshof (IGH) im Nottebohm-Fall „entwickelt“. In dem Fall ging es um folgendes:

Herr Nottebohm war Angehöriger des deutschen Reichs. Er wanderte kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert nach Guatemala aus. Deutschland besuchte er in der Folge kaum noch. Er befand sich Ende 1939 in Hamburg und fuhr für einen Kurzbesuch zu seinem Bruder, der nicht mehr in Deutschland, sondern in Liechtenstein lebte. Herr Nottebohm entsagte dort seiner deutschen Staatsangehörigkeit und nahm, gegen die Zahlung einer Gebühr, die liechtensteinische Staatsangehörigkeit an.

Im Jahr 1941 erklärte Guatemala Deutschland den Krieg. In der Folge enteignete das Land alle deutschen Staatsangehörigen, auch Herrn Nottebohm, sie waren nunmehr schließlich Angehörige des Feindes. (Gerüchten zufolge erklärte Guatemala Deutschland wegen Herrn Nottebohms Vermögen den Krieg, denn dieser war inzwischen reich geworden. Ob die Gerüchte stimmen, kann ich nicht beurteilen, sie geben dem Sachverhalt aber Pfiff.)

Liechtenstein klagte gegen Guatemala und übte diplomatischen Schutz zugunsten seines Staatsangehörigen aus.

Der IGH wies die Klage ab und begründete seine Entscheidung mit dem „genuine link“: Diplomatischer Schutz sei eben nur zulässig, wenn zwischen dem Staatsangehörigen und dem Staat, der ihn im internationalen Verkehr vertreten möchte, eine hinreichend gefestigte Beziehung bestünde. Der Aufenthalt des Bruders Nottebohm und der Kauf der liechtensteinischen Staatsangehörigkeit reichten dafür nicht aus.

Allerdings sagte der IGH eben deutlich, dass dieses Kriterium nur für die Ausübung diplomatischen Schutzes existiert. Einen Einfluss auf Verleihung oder Entzug der Staatsangehörigkeit hat es nicht, vielmehr bleibt die Frage der Staatsangehörigkeit eine Frage des nationalen Rechts.

Damit ist auch für den Sudan ohne Belang, wie sehr die Südsudanesen sich noch als Sudanesen fühlen.

Kriterien zum Entzug der Staatsangehörigkeit

Interessant ist, an welches Kriterium der Sudan bei dem Entzug anknüpft. Die Frage, wer Südsudanese ist, dürfte schwer zu klären sein. Alle Anknüpfungspunkte, die man sich vorstellen kann, wären wohl ein klarer Verstoß gegen Menschenrechte: In Betracht kamen die Religion oder die ethnische Zugehörigkeit. Der Sudan macht es sich aber einfach und sieht als Südsudanesen alle an, die eine Abstimmungskarte für das Unabhängigkeitsreferendum beantragt hatten. Das ist zulässig und konsequent. Denn an dem Referendum dürften nur Südsudanesen teilnehmen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt als Südsudanese empfand, soll sich damit wie einer verhalten und auch Südsudanese auf dem Papier werden.

Bitter ist dies für Wähler, die gegen die Unabhängigkeit gestimmt haben. Zugegeben, es waren nur wenige, aber diese dürften umso mehr enttäuscht sein und jede Restloyalität gegenüber dem Sudan verloren haben.

(Quelle: FAZ vom 15. Juli 2011, S. 5).

Am Donnerstag hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Südsudan in die Organisation aufgenommen. Nicht einmal eine Woche ist der Staat alt und schon voll in die internationale Gemeinschaft integriert. Mir ist kein Fall bekannt, indem ein Staat schneller in die VN aufgenommen wurde.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am 11. Juli den Aufnahmeantrag Südsudans an das Committee on the Admission of New Members verwiesen. Damit ist der erste Schritt getan, dass der Südsudan demnächst das 193. Mitglied der Vereinten Nationen wird. Mit einer Entscheidung ist demnächst zu rechnen, vielleicht noch im Juli.

Für die Leser, die der genaue Ablauf interessiert, hat der Security Council Monitor eine ausführliche Übersicht zusammengestellt:

  • The new state submits an application to the Secretary-General containing a formal declaration accepting the obligations of the UN Charter.
  • The Secretary-General sends a copy of the application to the General Assembly and to the Council. The Council will consider the application at a formal closed meeting and adopt an agenda usually titled “Admission of New Members”.   At this initial session the Council usually agrees that the application should be referred by the President of the Council to a Committee of the Security Council.
  • The Committee examines the application and reports its conclusions to the Council no later than 35 days before a regular session of the General Assembly or no later than 14 days before a Special Session of the General Assembly. (In recent years the practice has been for the Council to complete its consideration rather quickly. For instance, the interval between the first meeting of the Council to consider an application, the committee meeting and the second open meeting of the Council where it adopts its recommendation to the General Assembly is often held within a twenty-four hour period).
  • As membership is a substantive issue nine of the fifteen members of the Council, including all five of the permanent members, must agree to the admission of the new state. Among the criteria for admission is whether the new state is peace-loving and is able and willing to carry out the obligations contained in the Charter.
  • If the Committee recommends admission it usually presents the Council with a draft resolution recommending admission of the new state for consideration by the General Assembly.
  • If the Council recommends admission, the recommendation is presented to the General Assembly for consideration. The Council cannot make its recommendation less than 25 days ahead of a regular session of the General Assembly or less than four days ahead of a special session.  However, under special circumstances, the Council may waive the time limits.  This occurred most recently in 2000 when the Council waived the time limit for Tuvalu and Yugoslavia so that their applications could be considered by the General Assembly’s 55th session.
  • A two-thirds majority is needed in the General Assembly for admission of a new member, and membership is effective on the date that the resolution of admission is adopted.
  • If the Council decides not to recommend the new state for admission or postpones consideration of the application, it has to submit a special report to the General Assembly.  The General Assembly considers this special report and sends the application back to the Council with a full record of its discussion for further consideration and recommendation. While most applications for membership have gone through smoothly, there have been contentious cases. For example, In 1955 Mongolia’s bid for membership was thwarted by China’s veto (when the seat was filled by the Republic of China (ROC) and not the People’s Republic of China (PRC)) as it saw Mongolia as part of China. This postponed the admission of Mongolia until 1960, when the Soviet Union announced that unless Mongolia was admitted, it would block the admission of all of the newly independent African states.  As recently as 2000 China abstained from voting on Tuvalu’s membership as it objected to the fact that Tuvalu had diplomatic relations with Taiwan.

Seit gestern ist der Sudan nun zweigeteilt: Der Südsudan ist unabhängig.

Quelle des Bildes: www.tagesschau.de

Wenige Tage vor der geplanten Unabhängig des Südsudans versucht die internationale Gemeinschaft, einen friedliche Loslösung zu ermöglichen. Streitgegenstand zwischen dem Staat in statu nascendi Südsudan und dem (Rest-) Sudan ist nach wie vor die erdölreiche Region Abyei.

Die beiden Konfliktparteien haben am 20. Juni 2011 in Addis Abeba das „Abkommen zwischen der Regierung Sudans und der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung über vorläufige Regelungen für die Verwaltung und Sicherheit des Gebietes Abyei“ geschlossen, das als vorläufiges Abkommen gerade keine Antworten auf die Fragen nach dem endgültigen Verbleib der Region und der Ausbeutung des Erdöls gibt. Zur Lösungen verweisen die Parteien auf die bereits verschobene – und immer weniger realistische werdende – Volksabstimmung in Abyei und den Schiedsspruch des Permanent Court of Arbitration aus dem Jahr 2009. Geregelt werden hingegen die Entmilitarisierung Abyeis, die gemeinsame Verwaltung des Gebiets einschließlich einer gemeinsamen Polizeitruppe, das Rückkehrrecht der Binnenflüchtlinge und die Stationierung einer internationalen Sicherheitstruppe, die von den Vereinten Nationen entsandt werden soll.

Der Sicherheitsrat hat daraufhin am 27. Juni 2011 reagiert und einstimmig die Resolution 1990 (2011) verabschiedet. Kerninhalt dieser Resolution ist die Entsendung der UN Interim Securiy Force for Abyei (UNISFA) für zunächst sechs Monate. Diese setzt sich aus bis zu 4.200 Soldaten und 50 Polizisten zusammen, die von Äthiopien gestellt werden, und soll „eine angemessene zivile Unterstützung“ erfahren. Deren Mandat umfasst die Überwachung der Entmilitarisierung Abyeis, die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden (insb. dem zu schaffenden Polizeidienst von Abyei), humanitäre Hilfsaufgaben und den Schutz der Erdölinfrastrukur, der gemeinsam mit der Polizei erfolgen soll. Robust wird das Mandat durch einen Teil, der nach Kapitel VII VNCh beschlossen wurde. Davon umfasst sind die Herstellung/Wahrung allgemeiner Sicherheit in Abyei, der Schutz der UNISFA- und anderen VN-Mitarbeiter und v. a. der Schutz solcher „Zivilpersonen, die unmittelbar von körperlicher Gewalt bedroht sind“. Die UNISFA wird autorisiert, Abyei vor dem Eindringen nicht autorisierter Elemente zu schützen, wie dies in dem Abkommen festgelegt wurde: also vor allem eine Rückkehr süd- oder „rest-“ sudanesischer Soldaten zu verhindern und damit weitere Gewalt auszuschließen.

Nach dem derzeitigen Planungsstand soll die UNISFA am 8. Juli voll einsatzbereit sein – einen Tag vor der geplanten Unabhängigkeit.

Ob die UNISFA einen friedlichen Start in die Unabhängigkeit gewährleisten kann, wird sich zeigen. Optimistisch stimmt dabei, dass sich die Konfliktparteien aus der Region zurückziehen müssen und dies nunmehr vom Sicherheitsrat auch ausdrücklich anerkannt wurde. Leider hat die UNISFA nicht auch ausdrücklich das Mandat, die Rückkehr der Binnenflüchtlinge sicherzustellen. Allein über die „Generalklausel“ zum Schutz der bedrohten Zivilbevölkerung kann bewirkt werden, dass den Flüchtlingen eine sichere Rückkehr ermöglicht wird.

Deutscher Text der Resolution 1990 (2011)

Abkommen vom 20.6.2011

Entscheidung des Permanent Court of Arbitration

Erneuter Streit im Sudan: Öl, Abyei und Kordofan – Teil 1

Erneuter Streit im Sudan: Öl, Abyei und Kordofan – Teil 2

Update 13.7.: Dieser Text ist in aktualisierter Version vom IFHV der Uni Bochum als Bofax Nr. 389D herausgegeben worden. (Link)

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat sich am Montag mit der Lage in Abyei befasst und eine Resolution nach Kapitel VII der Charta erlassen. In den nächsten Tagen werde ich mich damit befassen und die Ergebnisse hier veröffentlichen.

Diejenigen, die sich die Resolution ansehen wollen, finden sie auf den Seiten des Sicherheitsrates (eine direkte Verlinkung ist leider nicht möglich).

s. auch “Erneuter Streit im Sudan: Öl, Abyei und Kordofan – Teil 1″

Kurz vor der geplanten Unabhängigkeitserklärung des Südsudans ist der Streit um das Öl und dessen Export aus dem Südsudan nicht beigelegt. Die FAZ berichtet heute auf S. 1 f. davon, dass sich der zukünftige neue Staat und der Nordsudan (ab dem 9. Juli also der „Restsudan”) noch immer nicht über den Preis für die Nutzung der nordsudanesischen Pipelines einigen konnten. Der Südsudan ist darauf dringend angewiesen, um das Öl zu exportieren.

Damit ist auch eine Lösung des Konflikts um Abyei, der Region, in der das Öl zu finden ist, weit entfernt. Nordsudanesische Truppen halten das Gebiet nach wie vor besetzt.

Aus der Region Südkordofan werden Vorwürfe laut, wonach die Armee der Zentralregierung „ethnische Säuberungen“ durchführen soll. Der Erzbischof der Provinz Südkordofan, Gassis, beschuldigt die Regierung,  einen „Krieg gegen das Volk der Nuba“ zu führen. Die FAZ berichtet:

„Vor rund zehn Tagen hatte die nordsudanesische Armee dort eine Offensive gegen bewaffnete Gruppen begonnen, die im Bürgerkrieg für den Süden gekämpft haben und sich jetzt weigern, ihre Waffen abzugeben.” Hört sich so an, wie zu Beginn des Konflikts in Darfur, nur mit vertauschten Rollen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Konflikte bald beigelegt werden können.