Die Elfenbeinküste musste in den vergangenen Monaten blutige Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des abgewählten Präsidenten Laurent Gbagbo und Anhängern des international anerkannten Wahlsiegers der Wahl von 2010, Alassane Ouattara, ertragen. Gbagbo ist Anfang Mai 2011 festgenommen worden. Die Kämpfer sind damit zwar nicht völlig beendet, der Machtkampf jedoch scheint entschieden.
Die neue Regierung hatte bereits angekündigt, Gbagbo möglicherweise vor ein Strafgericht zu stellen. Dass dieses Vorgehen nicht politisch motiviert ist, zeigt nun der Bericht einer Untersuchungskommission der Vereinten Nationen. Dieser kommt zu dem Schluss, dass sowohl Kriegsverbrechen als auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Elfenbeinküste begangen worden sein könnten (Bericht der FAZ vom 11. Juni 2011, S. 7). Der Sicherheitsrat wird den Bericht am Mittwoch, den 15. Juni, diskutieren.
Aufgrund dieser Bewertung könnte der Sicherheitsrat die Situation in der Elfenbeinküste an den Internationalen Strafgerichtshof überweisen – nach Darfur und Libyen die dritte Überweisung einer Situation in einer Nichtvertragspartei des IStGH-Statuts.
Dafür spricht, dass die Überweisung der Situation in der Elfenbeinküste bereits vorgeschlagen wurde. Gerade im März und April konnte man in der Presse solche Gerüchte lesen. Dafür spricht natürlich auch das Ergebnis des Berichts der Kommission (disclaimer: Der Bericht ist noch nicht veröffentlicht). Denn wenn wirklich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Betracht kommen, dann bietet sich der IStGH als Forum an.
Dagegen spricht allerdings der Grundsatz der Komplementarität. Denn der IStGH darf nur tätig werden, wenn und soweit nationale Strafverfolgung nicht erfolgt oder erfolg versprechend ist. Da aber die amtierende Regierung der Elfenbeinküste bereits selbst angedeutet hat, Strafverfolgungsmaßnahmen einzuleiten, dürfte der Sicherheitsrat auf die nationale Strafverfolgung vertrauen und die Situation nicht an den IStGH überweisen.
Die Elfenbeinküste ist nicht Vertragspartei des IStGH-Statuts, hat das Statut aber bereits 1998 unterzeichnet. Damit bleibt eine Befassung des IStGH mit der Situation auf andere Art und Weise möglich: Die Elfenbeinküste hat mit der ad-hoc-Anerkennung gemäß Art. 12 Abs. 3 IStGH-Statut die Gerichtsbarkeit des IStGH für Verbrechen auf ihrem Territorium anerkannt (Link) und damit ist es rechtlich zulässig, die post-election-violence vor ein internationales Gericht zu bringen. Diese Option betont der Sicherheitsrat in Res. 1975 (2011) vom 30. März 2011.
Vorteil dieser Variante: Die Elfenbeinküste müsste das Statut nicht ratifizieren, um eine internationale Untersuchung zu erreichen. Dem IStGH begegnet sie positiv (die noch immer bestehende Unterschrift unter dem Statut zeigt dies, auch wenn schon Gbagbos Vor-Vorgänger die Unterschrift geleistet hat) und daher ist nicht unwahrscheinlich, dass der Ankläger in der Situation Verfahren einleiten möchte. Presseberichten zufolge “vorermittelt” er bereits.
Ob der Elfenbeinküste damit geholfen ist, bleibt dahingestellt. Für eine innerstaatliche Aussöhnung mag hier der nationale Rechtsweg der sinnvollere sein, gerade auch, weil die Lage sich beruhigt hat – anders als in Darfur oder in Libyen.
Damit ist eine Sicherheitsratsüberweisung nicht erforderlich und nicht wahrscheinlich.
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