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Der dritte Fall in der Darfur-Situation gegen Abu Garda zeigt, dass internationale Strafjustiz nicht automatisch zu einer Verurteilung des Verdächtigen führt. Der Internationale Strafgerichtshof hat das Verfahren gegen Abu Garda aus Mangel an Beweisen eingestellt.

Die Vorwürfe des Anklägers gegen Abu Garda

1      Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat wegen des Angriffs auf den Stützpunkt der African Union Mission in Sudan (AMIS) in Haskanita, Nord-Darfur, am 29. September 2007, Ermittlungen aufgenommen. Den Beschuldigten wurde zur Last gelegt, ungefähr 1.000 Rebellen bei dem Angriff angeführt zu haben und für den Tod von zwölf AMIS-Mitgliedern und für schwere Verletzungen von acht weiteren AMIS-Mitgliedern verantwortlich zu sein. Daneben seien sie auch für die Plünderung des Militärstützpunktes verantwortlich, bei der u.a. 17 Fahrzeuge gestohlen wurden.

2      Der Ankläger subsumierte die Handlungen der drei Beschuldigten im Vorfeld und während des Angriffs als Kriegsverbrechen im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt nach Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut. Weiterhin hielt er den Fall in Anbetracht von Art. 17 Abs. 1 IStGH-Statut für zulässig, da zum einen das Schwereerfordernis erfüllt und zum anderen kein nationales Verfahren gegen die drei Beschuldigten anhängig sei.

3      Das erste Verfahren vor dem IStGH richtet sich gegen Bahr Idriss Abu Garda. Abu Garda, ein Zaghawa, soll als ehemaliges Führungsmitglied der JEM eine Fraktion der JEM führen, die unter JEM-Collective Leadership bekannt ist. Diese Gruppe soll den Angriff auf den Stützpunkt Haskanita ausgeführt haben.

4      Der Ankläger hielt einen Haftbefehl für Abu Garda für erforderlich, da die Zentralregierung nicht mehr mit dem IStGH kooperiere und daher ohne Haftbefehl das Erscheinen Abu Gardas in Den Haag nicht gesichert sei. Allerdings hielt der Ankläger es für ausreichend, eine Vorladungen auszustellen, wenn sich der Beschuldigte freiwillig stellen würde.

Die Entscheidung der Vorverfahrenskammer I

5      In der strafrechtlichen Bewertung folgte die Kammer dem Antrag. Das Problem der Komplementarität streifte die Kammer nur kurz, da sie sich aufgrund fehlender entgegenstehender Tatsachen die Ansicht des Anklägers zu eigen machte. Nachdem der Ankläger Nachweise für Abu Gardas Kooperation vorlegte, sah sich die Kammer dazu berechtigt, in diesem Fall nur eine Vorladung auszustellen. Dieser Vorladung hat Abu Garda Mitte Mai 2009 Folge geleistet.

Die Bestätigung der Anklage

6      Im Oktober fanden „confirmation of charges hearings“ nach Art. 61 IStGH-Statut statt. Allerdings sah die Kammer keine ausreichenden Beweise und verweigerte die Bestätigung, sodass das Verfahren gegen Abu Garda im Februar 2010 sein Ende fand.

Bewertung

7      Ob sich die anderen beiden in diesem Fall Beschuldigten ebenfalls freiwillig stellen werden, kann nicht beurteilt werden. Festzuhalten bleibt, dass der Ankläger im Darfur-Konflikt sowohl gegen die Rebellen auf der einen Seite als auch gegen die Milizen und die Regierung auf der staatlichen Seite ermittelt. Damit bleibt auch festzuhalten, dass die strafrechtliche Aufarbeitung des Darfur-Konfliktes unparteiisch und unabhängig von politischen Erwägungen erfolgt. Ausschlaggebend ist allein, ob eine Person Verbrechen begangen hat.

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Der Internationale Strafgerichtshof hat die ersten beiden Haftbefehle in der Darfur-Situation erlassen. Die beiden Betroffenen, ein Minister und ein Janjaweed-Führer, sind keine Überraschung. Nachfolgend werden die Rechtsfragen erörtert.

Die Verdächtigen

1      Der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat Ende Februar 2007 Vorladungen für Ahmad Muhammad Harun und Ali Muhammad Ali Abd-al-Rahman alias Ali Kushayb beantragt. Beide Namen sind keine große Überraschung. Harun war als Innenminister verantwortlich für das „Darfur Security Desk“ des Ministeriums. Kraft dieses Amtes koordinierte er die „counterinsurgency campaign“ der Regierung und war, laut den Ermittlungsergebnissen, vor allem für die Rekrutierung weiterer Janjaweed verantwortlich. Seit 2006 ist er Minister für humanitäre Angelegenheiten. Ali Kushayb ist eine führende Persönlichkeit in West-Darfur und soll mehrere Tausend Janjaweed befehligt haben.

Der Antrag des Anklägers: Haftbefehl oder Vorladung?

2      Der Ankläger kann zu dem Schluss kommen, dass Ermittlungen keine Grundlage für Anklagen bieten und das Verfahren einstellen, Art. 53 Abs. 2 IStGH-Statut. Kommt er zu dem Schluss, dass eine Basis für Anklagen besteht, kann er Haftbefehle bzw. Vorladungen nach Art. 58 IStGH-Statut bei der Vorverfahrenskammer beantragen. Haftbefehle sind zu erlassen, wenn ein begründeter Verdacht dafür vorliegt, dass Straftaten unter der Gerichtsbarkeit des IStGH begangen wurden, und die Festnahme der Person notwendig erscheint um sicherzustellen, dass sie zur Verhandlung erscheint, dass sie die Ermittlungen oder das Verfahren nicht behindert oder um sie an der Begehung weiterer Straftaten zu hindern. Vorladungen sind angebracht, wenn eine Festnahme nicht erforderlich ist, Art. 58 Abs. 7 Statut.

3      Auf den ersten Blick scheinen die Voraussetzungen für einen Haftbefehl zumindest für Harun vorzuliegen: Der Konflikt dauert an, und er ist noch immer Mitglied der Regierung. Schon in der Vergangenheit hat Harun versucht, Beweise verschwinden zu lassen. Der Ankläger beantragt dennoch keinen Haftbefehl, sondern nur eine Vorladung. Es stellt sich somit die Frage, ob der Ankläger die Vorraussetzungen des Art. 58 Abs. 1 IStGH-Statut für nicht erfüllt hält. Der Ankläger macht sich dies einfach und verweist die Frage der Auswahl einer Maßnahme an die Kammer. Es liege in deren Ermessen, zu entscheiden, welche der zwei Optionen durch die Beweise gestützt werden. Seiner Einschätzung nach reichten Vorladungen aus; erst wenn der Sudan bzw. die beiden Vorgeladenen den Beschlüssen nicht nachkämen, sollten Haftbefehle erlassen werden. Der Ankläger rechnet Harun hoch an, dass er bereits mit Strafverfolgungsbehörden kooperiert hat und er geht von einer weiteren Bereitschaft zu einer solchen Kooperation aus.

Die Haftbefehle der Kammer

4      Die Kammer folgt dieser Argumentation nicht, und das zu Recht. Sie geht davon aus, dass ihr Auswahlermessen zwischen Haftbefehlen und Ladungen begrenzt ist. Der Erlass eines Haftbefehls ist, der Kammer zufolge, der Regelfall, während der Erlass einer Vorladung nur die Ausnahme darstellt. Damit kehrt sie die Reihenfolge, die der Ankläger vorschlägt, um. Insoweit befindet sie sich in Übereinstimmung mit der Auslegung des Art. 58 Abs. 7 IStGH-Statut in der Literatur.

5      Allerdings geht die Kammer weiter und konstruiert die Ladung als strenge Ausnahme. Nach ihrer Auffassung kommt eine Ausnahme vom Haftbefehl nur in Betracht, wenn die Person freiwillig vor dem Gerichtshof erscheinen kann. Für das Erscheinen in Den Haag verlangt sie ausreichende Garantien. Im Hinblick auf die englische Fassung des Statuts erscheint dies problematisch. Vorladungen sind danach u.a. dann angebracht, wenn damit sichergestellt werden kann, dass die Person erscheint („ensure the person’s appearance“). Auch das Merkmal „freiwillig“ taucht im Statut nicht auf. Auf der anderen Seite trägt die Auslegung der Kammer zur Effektivität des Verfahrens bei, denn für die mildere Alternative der Vorladung muss so ein erhöhter Begründungsaufwand betrieben werden. Auch in den meisten anderen anhängigen Verfahren wurden Haftbefehle ausgestellt.

6      Auch in tatsächlicher Hinsicht ist die Kammer davon überzeugt, dass ein Haftbefehl erforderlich sei. Sie verweist darauf, dass Harun noch immer zum „inneren Kreis“ der Regierung zähle und bereits früher Beweise manipuliert bzw. verschwinden lassen habe. Der Einschätzung der Kammer ist insoweit zuzustimmen. Auch wenn Harun inzwischen den Geschäftsbereich gewechselt hat, so trägt er als Regierungsmitglied eine Mitverantwortung für den weiterlaufenden Konflikt.

7      Auch bei Ali Kushayb hält die Kammer einen Haftbefehl für erforderlich – anders der Ankläger. Die Begründung der Kammer vermag jedoch nicht zu überzeugen. Ali Kushayb saß zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftbefehls seit Dezember 2006 in sudanesischer Haft. Sein Erscheinen in Den Haag hing also nicht mehr von ihm selbst ab, sondern nur davon, dass die sudanesischen Behörden ihre Verpflichtung erfüllten, ihn zu überstellen. Die Kammer jedoch begründet ihren Haftbefehl gerade mit der Inhaftierung, denn dadurch werde er darin gehindert, freiwillig in Den Haag zu erscheinen. Bedenkt man, dass die „Freiwilligkeit“ als Voraussetzung durch die Kammer eingeführt wurde, so verwundert diese Argumentation noch etwas mehr.

8      Zur Unterstützung ihres Ergebnisses zieht sie auch die Beweis- und Verfahrensregeln heran. Aus einer Zusammenschau der Art. 58 Abs. 5, 89, 91 IStGH-Statut und Regel 183 ergebe sich, dass eine Vorladung nur möglich sei, wenn der oder die Betroffene nicht inhaftiert sei. Da keine Regelungen für eine Überstellung einer inhaftierten Person getroffen worden seien, sei es nicht denkbar, eine Vorladung auszustellen. Nach den aufgestellten Grundsätzen kommt für die Kammer daher nur der Erlass eines Haftbefehls in Betracht.

9      Dabei übersieht die Kammer den Art. 93 Abs. 7a IStGH-Statut, womit die zeitweilige Übergabe eines Häftlings an den IStGH geregelt wird, und unterlässt es somit, einige klarstellenden Bemerkungen zu machen. Art. 93 IStGH-Statut gilt grundsätzlich nur für die Zusammenarbeit mit den Vertragsparteien des Statuts. Durch Absatz 2 der Sicherheitsratsresolution 1593 wurde der Sudan jedoch zur Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof verpflichtet. Somit ergibt sich über Art. 25, 41, 39 VNCh i. V. m. Res. 1593 (2005) eine Bindung des Sudans an die Regelungen des neunten Teils des Statuts.

10   Die zeitweilige Übergabe nach Art. 93 Abs. 7 IStGH-Statut wird als subsidiär zur Überstellung nach Art. 89, 91 IStGH-Statut gesehen. Ist ein Verdächtiger in einem nationalen Verfahren in Haft, so scheint jedoch Art. 93 Abs. 7a, 7b IStGH-Statut die einschlägige Vorschrift zu sein, mit der die Überstellung geregelt wurde. Ali Kushayb könnte wohl nach dieser Vorschrift nach Den Haag überstellt werden, seine Aussage machen und wieder zurück in den Sudan gebracht werden. Während dieser Zeit ist seine Inhaftierung gemäß Art. 93 Abs. 7b IStGH-Statut sichergestellt. Dennoch befriedigt Art. 93 Abs. 7a, 7b IStGH-Statut keineswegs. Die nur zeitweilige Überstellung ist nicht Sinn und Zweck des Verfahrens, schließlich sollen die Ermittlungen in einem Verfahren und einem Urteil enden. Art. 93 IStGH-Statut ist dagegen eine Regelung zur Rechtshilfe während des Ermittlungs- und Hauptverfahrens.

11    Auch bleibt der genaue Umfang der Bindung an Teil 9 des Statuts durch eine Kapitel-VII-Resolution unscharf. Hier hätte die Kammer Stellung beziehen können, ob der Sudan wie eine Vertragspartei verpflichtet wird, also an den Wortlaut der einzelnen Bestimmungen gebunden ist, oder ob das genaue Verfahren der Zusammenarbeit anders geregelt wird. Gerade weil der Sicherheitsrat den Umfang der Kooperationspflicht nicht geregelt hat, muss der Sudan nämlich ebenso wie eine Vertragspartei behandelt werden (vgl. R. Frau, Sicherheitsratsresolution 1593 [2005] – Wirksame völkerrechtliche Grundlage für Maßnahmen des IStGH im Darfur-Konflikt, DarfurSituation.org Analyse Nr. 1, 2010, Rn. 15 ff.).

Keine Immunität für Minister Harun

12    Diese Kritik darf jedoch nicht über die positiven Aspekte der Entscheidung hinwegtäuschen. Gemäß dem Ziel des Gerichtshofs, nur die schwersten Verbrechen zu verfolgen, konzentrierte sich der Ankläger auf die Spitze der Befehlskette. Wenn er auch nicht bei der Staatsleitung angefangen hat, muss doch betont werden, dass mit seinem Antrag und der Entscheidung der Prozess gegen einen amtierenden Minister vorbereitet wird. Gemäß Art. 27 des Statuts genießen Minister schon vertragsrechtlich keine Immunität. Auch für die postulierte gewohnheitsrechtliche Ausnahme von der Immunität dürfte dieser Fall wertvolle Staatenpraxis darstellen und somit zu einer Festigung dieser Norm beitragen. Auf lange Sicht gesehen wird dieser Aspekt bedeutender sein als die angesprochene Kritik an den verfahrensrechtlichen Fragen.

Die Tatbestände und die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts

13    Die Ermittlungen konzentrierten sich auf Angriffe auf einige Dörfer in West-Darfur in den Jahren 2003 und 2004. Der Antrag des Anklägers beinhaltet 51 Anklagepunkte wegen Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen. Zur Strafbarkeit wegen Völkermordes äußerte sich der Ankläger, und somit auch die Kammer, nicht. Angesichts der praktischen Schwierigkeiten, die eine Strafverfolgung gerade im Hinblick auf den Nachweis der subjektive Seite des Völkermordes überwinden muss, scheint eine Anklage nach Art. 7 f. IStGH-Statut effektiver zu sein.

14    Harun und Ali Kushayb wird die Begehung einer Kollektivtat nach Art. 25 Abs. 3 lit. d) IStGH-Statut vorgeworfen, Harun die Anstiftung zum Kriegsverbrechen der Plünderung und Ali Kushayb mehrmalige eigenhändige Kriegsverbrechen.

15    Das Statut unterteilt die Strafbarkeit für Kriegsverbrechen nach der hergebrachten Unterscheidung zwischen internationalen und innerstaatlichen bewaffneten Konflikten. Schon die Untersuchungskommission klassifizierte den Konflikt ohne große Begründung als innerstaatlich. Der Ankläger folgte dieser Einschätzung. Mag dies damals noch zutreffend gewesen sein, so wird man dies heute jedoch in Frage stellen müssen. Angesichts der Verwicklung des Tschad in den Darfur-Konflikt muss von einem internationalen bewaffneten Konflikt ausgegangen werden.

16    Folgt man allerdings dem IStGH, dann können auch in eben diesem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt Kriegsverbrechen begangen werden. Dies war zwar lange Zeit umstritten, seit dem Tadić-Urteil des Jugoslawientribunals vom Oktober 1995 ist diese Möglichkeit jedoch weitgehend anerkannt.

17   Im Falle Darfurs können die verletzten Normen anhand der etwas überholten Einteilung in Haager und Genfer Recht aufgezeigt werden: Weniger Probleme bereiten die Vorschriften des Haager Rechts über verbotene Mittel und Methoden der Kriegsführung. Bisher ist nach keinem Angriff über den Einsatz verbotener Mittel und Methoden berichtet worden. Das genaue Gegenteil ist der Fall hinsichtlich der Regelungen des Genfer Rechts, den Regelungen zum Schutze der Zivilbevölkerung, der Kriegsgefangenen und Verwundeten. Die meisten Militäraktionen der Janjaweed sowie der sudanesischen Zentralregierung richten sich direkt gegen die Zivilbevölkerung. Dabei werden sehr oft Dörfer angegriffen, die über keinerlei militärische Einrichtungen verfügen. Zu betonen ist weiterhin die extreme sexuelle Gewalt, deren Opfer unter allen Bevölkerungsgruppen zu finden sind.

Strafverfolgungsmaßnahmen des Sudan und Art. 17 IStGH-Statut

18    Der Gerichtshof ist kann seine Gerichtsbarkeit nur ausüben, wenn nationale Strafverfolgungsmaßnahmen nicht stattfinden oder nicht erfolgversprechend sind, Art. 17 IStGH-Statut. Der Sudan unternimmt allerdings einige strafrechtliche Schritte, die der IStGH zu berücksichtigen hat.

19    Bereits im Mai 2005 setzte der sudanesische Präsident die National Commission of Inquiry ein. Diese hatte die Aufgabe, Vorarbeiten für die nationale Strafverfolgung zu leisten. Unterstützt wurde diese Kommission durch das Judicial Investigations Committee im Januar 2005, das Special Prosecution for Crimes against Humanity Office im September 2005 und im Januar 2006 durch drei Special Prosecution Commissions für die Staaten Darfurs. Die Arbeit dieser ad-hoc-Institutionen soll im Rahmen der Special Criminal Courts on the Events in Darfur (SCCED) verwertet werden. Der erste dieser ebenfalls drei Gerichtshöfe wurde vom Präsidenten des Obersten Gerichtshofs im Juni 2005 (einen Tag nach Bekanntgabe der Ermittlungen durch den IStGH-Ankläger) durch Dekret gegründet, im November 2005 folgte die Gründung der anderen zwei Gerichtshöfe. Diese drei Gerichtshöfe bilden heute einen einheitlichen SCCED mit Sitz an drei Standorten. In Teil II der Statuten wurde die Jurisdiktion festgelegt, demnach ist der Gerichtshof u.a. für die Strafverfolgung zuständig, wenn die Handlungen Verbrechen unter nationalem Recht oder humanitärem Völkerrecht darstellen (lit. a). Schon das Vorhandensein des Gerichtshofs wirft das Problem der Komplementarität mit dem IStGH auf.

20   Art. 17 IStGH-Statut enthält das grundlegende Prinzip des Strafgerichtshofs: Demnach kann auf internationaler Ebene Strafverfolgung nur stattfinden, wenn ein zur Strafverfolgung berechtigter Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Ermittlungen oder ein Verfahren durchzuführen (Art. 17 Abs. 1 lit. a IStGH-Statut), wenn der Staat sich gegen Ermittlungen bzw. ein Verfahren entschieden hat (lit. b), wenn die Person bereits gerichtlich belangt wurde (lit. c) oder wenn die Straftat nicht die genügende Schwere für den IStGH aufweist (lit. d). Diesen Gesichtspunkt hatte auch die Vorverfahrenskammer I in ihrer Entscheidung zu berücksichtigen.

21    Die Möglichkeit, Kriegsverbrechen vor dem SCCED zu verfolgen, scheint dabei auf den ersten Blick für eine Sperre nach Art. 17 Abs. 1 lit. a) und b) zu sprechen. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich jedoch zahlreiche rechtliche und tatsächliche Probleme.

Rechtliche Würdigung der sudanesischen Maßnahmen – Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts

22    Bis zur Ergänzung des ersten Statuts und zur Gründung des zweiten und dritten Gerichtshofs war es nur möglich, nach sudanesischem Strafrecht zu urteilen. Der IStGH soll nach Erwägungsgrund 4 der Präambel jedoch nur die schwersten Verbrechen aburteilen. Deren Täter sind meistens nicht diejenigen, die die Tat eigenhändig begehen, sondern die, die an der Spitze einer Hierarchie stehen. Für diese Fälle existiert das Rechtsinstitut der superior responsibility, das sowohl in Art. 28 IStGH-Statut als auch im Gewohnheitsrecht verankert ist. Es gilt jedoch nur für die völkerstrafrechtlichen Tatbestände, auf sudanesisches Strafrecht kann es nicht ausgeweitet werden. Somit bestand keine Möglichkeit, militärische oder zivile Vorgesetzte für die Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen. Dieses Problem stellt sich nach der Ergänzung der Gerichtsbarkeit des SCCED bzgl. des humanitären Völkerrechts nicht mehr.

Rechtliche Würdigung der sudanesischen Maßnahmen – Der Besondere Teil des Völkerstrafrechts

23    Die Statuten des SCCED sehen keine Strafbarkeit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und für Völkermord vor. Beide sind auch nach sudanesischem Strafrecht (Stand Sommer 2009) nicht strafbar. Solange die anhängigen Gesetzesentwürfe nicht verabschiedet wurden, kann ein Verfahren vor dem SCCED kein Verfahren vor dem IStGH ausschließen.

Würdigung der tatsächlich stattfindenden sudanesischen Strafverfolgung

24    Die Gerichtsbarkeit des IStGH wird nur ausgeschlossen, wenn die innerstaatliche Strafverfolgung dieselbe Person aufgrund desselben Verhaltens verfolgt, wie der IStGH.

25    Schon generelle Aussagen über den SCCED zeigen die fehlende Relevanz für den Komplementaritätsgrundsatz auf. Der Ankläger hat in seinen Berichten an den Sicherheitsrat immer wieder betont, dass die vor dem SCCED verhandelten Fälle seine Strafverfolgung nicht unzulässig machen. Begründet wird dies damit, dass die Fälle vor dem SCCED – wenn es denn zur Verhandlung kommt – meistens reguläre Verbrechen beinhalten, die nur am Rande mit dem Konflikt zu tun haben. Bisher wurden vor den Tribunalen weniger als 30 Anklagen verhandelt, dabei waren 18 Angeklagte rangniedrige Mitglieder staatlicher Truppen. Diese Fälle beinhalteten einzelne Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, der Gesamtkontext des Konflikts wird in den Verfahren nicht deutlich. Die Cassese-Kommission, die dem Sicherheitsrat eine Überweisung des Darfur-Konfliktes empfohlen hat, hat bereits Anfang 2005 51 Verdächtige identifiziert und deren Namen in einem versiegelten Umschlag an den VN-Generalsekretär übergeben. Während vor dem SCCED noch im Juni 2006 keine Fälle völkerstrafrechtlicher Tatbestände vorlagen, gab es inzwischen (Stand Sommer 2009) 14 Festnahmen wegen Kriegsverbrechen, darunter die von Ali Kushayb. Die Zahl der Identifizierungen durch die Cassese-Kommission zeigen, dass es weit mehr als ein Dutzend Täter geben muss. Im Antrag des Anklägers wird dargelegt, wie wenig die sudanesischen Behörden selbst über die Verfahren wissen. So scheint weder klar zu sein, wie viele Personen angeklagt bzw. verurteilt wurden noch wer diese Personen sind.

26    Neben dem SCCED bestehen die Specialized Courts weiter. Diese hatten ähnliche Aufgaben wie der SCCED und haben ihre Verfahren nach der Einsetzung des Special Courts an diesen übertragen. Sie bleiben aber weiterhin existent und zuständig. Das Verhältnis zwischen SCCED und Specialized Courts ist nicht geklärt.

27   Gegen Harun läuft kein Verfahren vor dem SCCED, offenbar laufen auch keinerlei andere Strafverfolgungsmaßnahmen gegen ihn. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde von al-Bashir mit der Begründung gestoppt, dass Harun unschuldig sei.

28    Das Verfahren gegen Ali Kushayb vor dem SCCED beinhaltet nicht das gesamte tatsächliche Geschehen, das der IStGH-Ankläger ihm vorwirft und auch nicht alle in Frage kommenden Tatbestände. So fehlen u.a. die Punkte Vergewaltigung und Folter. Inzwischen ist Ali Kushayb wieder aus sudanesischer Haft entlassen worden, mit der Begründung, es lägen keine Beweise gegen ihn vor. Nach der Rechtsprechung des IStGH mangelt es bei der staatlichen Strafverfolgung Ali Kushaybs, welche die internationale Strafverfolgungsmaßnahmen ausschließen würde, somit an den entscheidenden Punkten.

29    Allein die geringe Anzahl der Verfahren im Verhältnis zu den geschätzten Zahlen von Opfern und Mitgliedern der Konfliktparteien lässt den Schluss zu, dass die nationalen Strafverfolgungsbehörden nicht in der Lage oder willens sind, die Verbrechen aufzuklären und die Täter strafrechtlich zu verfolgen. Auch das Fehlen der Strafbarkeit von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord vor dem SCCED zeigt die Halbherzigkeit der sudanesischen Strafverfolgungsbehörden.

30   Die Existenz des Sondergerichtshofs (und das Verfahren gegen Ali Kushayb vor dem SCCED) ist damit nicht geeignet, substantielle Bedenken nach Art. 17 IStGH-Statut zu begründen. Vielmehr ist dessen Einrichtung nur erfolgt, um die Strafverfolgung durch den IStGH auszuschließen. Somit ist der IStGH nicht aufgrund der Subsidiarität zur nationalen Strafverfolgung daran gehindert, Handlungen in Darfur strafrechtlich zu untersuchen und anzuklagen. Die Ausnahmegründe von Art. 17 Abs. 2 IStGH-Statut greifen ein.

Ergebnis

31    Der Antrag des Anklägers ist im Großen und Ganzen zu begrüßen, ebenso wie die Entscheidung der Kammer. Stellenweise sind die Entscheidungen zu kritisieren. Auf lange Sicht dürften die positiven Aspekte überwiegen. Zwei Jahre nach Überweisung der Situation in Darfur sind damit konkrete Strafverfolgungsmaßnahmen eingeleitet.

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Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Situation in Darfur (Sudan) im März 2005 an den Internationalen Strafgerichtshof überwiesen. Die Resolution wirft Rechtsfragen auf, ist im Ergebnis aber rechtmäßig und begründet die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs über Handlungen im Sudan, die nach dem 1. Juli 2002 begangen worden sind.

Die Rechtmäßigkeit der Resolution am Maßstab der Charta der Vereinten Nationen

1      Der Sudan ist nicht Vertragspartei des IStGH-Statuts, Maßnahmen des Gerichtshofs muss der Sudan grundsätzlich nicht dulden. Dies ändert sich nur durch eine Resolution nach Kapitel VII VNCh, die der Sudan als Mitglied der Vereinten Nationen befolgen muss, Art. 25 VNCh. Eine solche Resolution nach Kapitel VII VNCh ist die Resolution 1593 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 31. März 2005, mit der der Sicherheitsrat die Situation in Darfur an den IStGH überwiesen hat.

2      Um rechtlich verpflichtend, also wirksam, zu sein, muss die Sicherheitsratsresolution rechtmäßig sein: Durch eine rechtswidrige Resolution kann der fehlende Konsens des Sudan nicht ersetzt werden. Die Rechtmäßigkeitsanforderungen an eine Resolution des Sicherheitsrates sind umstritten, soll hier aber nicht vertieft werden. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass der Sicherheitsrat eine Gefährdung oder einen Bruch des Weltfriedens oder eine Angriffshandlung feststellt, Art. 39 VNCh.

3      Die Bevölkerung Darfurs flüchtet zu Hundertausenden aus dem Sudan in die Nachbarstaaten, vor allem in den Tschad. Weitgehend anerkannt ist, dass solche Füchtlingsströme eine Gefährdung des Weltfriedens bzw. des regionalen Friedens begründen. Damit liegen die Voraussetzungen für ein Handeln nach Kapitel VII VNCh vor.

4      Bei der Auswahl seiner Maßnahmen im Rahmen von Kapitel VII VNCh ist der Sicherheitsrat sehr frei. Er genießt ein nahezu unbeschränktes Auswahlermessen. Anerkannt ist, dass der Sicherheitsrat auch eine strafrechtliche Aufarbeitung eines Konfliktes initiieren darf. Dies hat er mit der Gründung der ad-hoc-Straftribunale für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda in den 1990er Jahren getan. Mit der Überweisung an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) nutzt der Sicherheitsrat den IStGH als quasi-ad-hoc-Tribunal, eben begrenzt für den Darfur-Konflikt. Der Sicherheitsrat bedient sich somit des anerkannten Kapitel-VII-Kanons.

5      Damit bleibt die Res. 1593 (2005) in dem Rahmen, den die VNCh absteckt, und ist an diesem Maßstab gemessen rechtmäßig.

Rechtmäßigkeit am Maßstab des IStGH-Statuts

6      Die Überweisung an den IStGH soll die Gerichtsbarkeit des IStGH auch für Handlungen begründen, die auf dem Gebiet des Sudan begangen worden sind. Dies kann nur durch eine Sicherheitsratsresolution geschehen, da der Sudan nicht Vertragspartei des IStGH-Statuts ist. Allerdings dürfen die Organe des IStGH nur in dem Rahmen handeln, der durch das IStGH-Statut gesetzt wird. Daher muss eine Überweisungsresolution immer im Rahmen des IStGH-Statuts bleiben. Fraglich ist damit, ob die Res. 1593 (2005) diese Grenzen einhält, m. a. W., ist die Resolution, gemessen am Maßstab des Statuts, rechtmäßig?

7      Rechtsgrundlage für die Geltung einer Sicherheitsratsresolution für den IStGH ist Art. 13 lit. b) IStGH-Statut. Diese Rechtsgrundlage wird in Res. 1593 (2005) nicht explizit erwähnt. Dies ist unschädlich. Denn andere Rechtsgrundlagen kommen für eine Überweisung nicht in Betracht. Dem IStGH muss in seinem Primärrecht, also dem Statut, ausdrücklich eine Kompetenz verliehen werden. In dem Statut finden sich jedoch nur die Regelungen der Art. 12 f. IStGH-Statut. Ein Verweis auf die konkrete Rechtsvorschrift ist nicht vorgeschrieben.

8      Zu beachten bleibt, dass der Sicherheitsrat nicht ohne weiteres an den Maßstab des Statuts gebunden ist. Als Organ der Vereinten Nationen ist er grds. ebenso unabhängig vom Recht des IStGH, wie der vom Recht der VN unabhängig ist. Der Maßstab des Statuts kann aber herangezogen werden, weil die VN durch den Abschluss des Relationship Agreements mit dem IStGH von 2004 das IStGH-Statut anerkannt haben und sich der Sicherheitsrat bei der Kooperation mit dem IStGH bislang an das Statut gehalten hat (venire contra factum proprium). Dabei muss betont werden, dass dieser Maßstab nur für den Rahmen des IStGH gilt, eine statutswidrige Resolution also nur im Rahmen des IStGH keine Wirkung entfaltet, außerhalb des IStGH aber voll wirksam bleibt.

Einschränkung der Gerichtsbarkeit ratione personae

9      Der Sicherheitsrat erstreckt die Überweisung auf „die Situation in Darfur seit dem 1. Juli 2002“, wobei er zugleich beschließt „dass Staatsangehörige, derzeitige oder ehemalige Amtsträger sowie derzeitiges oder ehemaliges Personal eines beitragenden Staates außerhalb Sudans, der nicht Vertragspartei des Römischen Statuts ist, in Bezug auf alle behaupteten Handlungen oder Unterlassungen auf Grund von oder im Zusammenhang mit Einsätzen in Sudan, die vom Sicherheitsrat oder von der Afrikanischen Union eingerichtet oder genehmigt wurden, der ausschließlichen Gerichtsbarkeit dieses beitragenden Staates unterliegen“. Damit erstreckt er (a) die Gerichtsbarkeit des IStGH auf Taten, die im Sudan begangen wurden, soweit diese (b) nicht von Staatsangehörigen anderer Nichtvertragsstaaten begangen wurden und schafft (c) eine ausschließliche Zuständigkeit der Drittstaaten für ihre Staatsangehörigen.

10   Zu (a): Die Ausweitung der Gerichtsbarkeit auf Verbrechen begangen auf sudanesischem Territorium ist völkerrechtsgemäß (Rn. 2).

11    Zu (b): Die völkerrechtliche Zulässigkeit der Ausnahme von bestimmten Drittstaatsangehörigen ist umstritten.

12    Gegen die Zulässigkeit sprechen die Gedanken der Gerechtigkeit und Gleichbehandlung. Weitet der Sicherheitsrat die Gerichtsbarkeit auf einige Drittstaatsangehörige aus, begrenzt die Gerichtsbarkeit aber bei anderen Drittstaatsangehörigen wieder, so könnte man dieses als willkürlich bezeichnen.

13    Für die Zulässigkeit spricht aber schon, dass es ein Willkürverbot für den Sicherheitsrat nicht gibt. Selbst wenn man ein solches akzeptierte, kann die Gerichtsbarkeitsausnahme nicht als willkürlich bezeichnet werden. Denn das Völkergewohnheitsrecht kennt verschiedene Anknüpfungsprinzipien, welche die Ausübung von Strafgewalt erlauben. Das IStGH-Statut nutzt, solange es sich um Staatenüberweisungen oder proprio-motu-Ermittlungen handelt, mit Art. 12 Abs. 2 IStGH-Statut nur zwei Anknüpfungspunkte und bleibt damit hinter dem Gewohnheitsrecht zurück. Für den Fall einer Sicherheitsratsüberweisung hält das Statut dagegen keine Bestimmung vor. Damit ist der Sicherheitsrat frei, irgendeines der gewohnheitsrechtlichen Anknüpfungsprinzipien auszuwählen – oder, e contrario, auszuschließen. Durch die Regelung in Absatz 6 nimmt der Sicherheitsrat dem IStGH durch die „Ausnahme“ eben keine Kompetenz, die dieser vorher hatte – der Sicherheitsrat schafft erst die Kompetenz.

14    Zu (c): Rechtmäßig ist auch die Begründung der ausschließlichen Strafgewalt des truppenstellenden Staates. Im völkerrechtlichen Vertragsrecht sind Verpflichtungen für die Vertragsparteien zu finden, bestimmte Straftaten zu verfolgen. Verpflichtet werden dabei nicht nur die Heimatstaaten der Verdächtigen, sondern auch Tatort- oder Opferstaat. Damit schafft das Völkerrecht gerade keine ausschließliche Gerichtsbarkeit eines Staates für seine Staatsangehörigen. Über die Vorrangregelung in Art. 103 VNCh kann der Sicherheitsrat die Staaten jedoch von diesen Pflichten entbinden, wenn er eine Resolution nach Kapitel VII erlässt.

Zusammenarbeitspflicht der Staaten

15    Der Sicherheitsrat fordert den Sudan ausdrücklich dazu auf, mit dem IStGH zu kooperieren. Auch hier gilt, dass der Sudan ohne Sicherheitsratsresolution nicht zur Kooperation verpflichtet ist. Die Res. 1593 (2005) schafft eine Zusammenarbeitspflicht.

16    Allerdings lässt der Sicherheitsrat offen, zu was genau der Sudan verpflichtet ist. Vorgeschlagen wird hier, den Sudan einer Vertragspartei gleichzustellen. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen.

17   Der Sudan hat das Statut unterzeichnet. In Kraft getreten ist es für ihn bislang nicht. Allerdings ist er gemäß Art. 18 Wiener Vertragsrechtskonvention dazu verpflichtet, sich aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck eines Vertrages vereiteln würden.

18    Durch die Lösung wird Rechtssicherheit erreicht, wenn der Teil 9 (Internationale Zusammenarbeit und Rechtshilfe) des Statuts herangezogen wird. Der Sudan wird zu nicht mehr und zu nicht weniger verpflichtet als ein Staat, der das Statut bereits ratifiziert hat.

19    Auch das IStGH-Statut scheint von dieser Lösung auszugehen. Es erkennt in der Resolution eine „andere geeignete Grundlage“ i.S.d. Art. 87 Abs. 5 lit. a) IStGH-Statut. Für das Verfahren zur Festnahme der bisherigen Verdächtigen im Darfur-Konflikt verweisen die Kammern des IStGH ausdrücklich auf die Regelungen des Statuts.

20   Ausdrücklich ausgenommen von der Kooperationsverpflichtung werden Staaten, die das IStGH-Statut nicht unterzeichnet haben. Sie bleiben unberührt von den Verpflichtungen des Vertrages.

Kosten der Überweisung

21    Die Res. 1593 (2005) stellt fest, dass die Vereinten Nationen nicht die Kosten der Überweisung zu tragen haben. Dies scheint im Widerspruch zu Art. 115 lit. b) IStGH-Statut zu stehen, denn dort ist geregelt, dass die Kosten des Gerichtshofs auch von den Vereinten Nationen bestritten werden, insb. im Falle von Sicherheitsratsüberweisungen.

22    Allerdings steht diese Kostentragung unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Generalversammlung. Damit anerkennt das Statut die Budgethoheit der Generalversammlung nach Art. 17 VNCh. Der Sicherheitsrat hat damit keine Kompetenz, die Vereinten Nationen zu Kosten zu verpflichten.

23    Auch aus der Sicht des Statuts ist diese Regelung der Resolution nicht zu beanstanden. Im Statut sind zwar Regelungen zur Finanzierung getroffen. Diese sind jedoch nicht abschließend. Das zeigt gerade ein Blick in das Relationship Agreement zwischen den VN und dem IStGH von 2004 , das vorsieht, in Zukunft ein Finanzierungsabkommen abzuschließen. Dieses war zum Resolutionszeitpunkt nicht geschlossen (und ist es bis heute nicht).

Ergebnis

24    Die Res. 1593 (2005) ist in allen Teilen rechtmäßig, da sie sich in den Grenzen der VNCh und des IStGH-Statut hält. Sie begründet und eröffnet die Gerichtsbarkeit des IStGH über den Darfurkonflikt im Sudan und schafft so die völkerrechtliche Grundlage für den Eingriff in die sudanesische Souveränität.

Zum Download der Analyse

An dieser Stelle finden Sie in Zukunft Kurzanalysen aller rechtlich relevanten Entscheidungen zu dem Darfur-Konflikt. Diese Kurzanalysen befassen sich mit Entscheidungen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und den Entscheidungen und Beschlüssen des Internationalen Strafgerichtshofs, sei es von den Spruchkörpern des Gerichts, sei es von der Anklagebehörde.

Als PDF-Dateien sind diese Analysen in der Datenbank zu finden. An dieser Stelle erscheinen die Analysen online, so dass sie diskutiert werden können.

Viel Spaß beim Lesen und Diskutieren!