The conflict in Libya 2011 has been closely monitored by an International Commission of Inquiry. As mandated by the United Nations Human Rights Council, the International Commission of Inquiry on Libya presented its report on violations of human rights law in Libya’s civil war. Allthough the report is very thourough, some remarks must be made. This analysis assesses the achievements and flaws of the report. Den Rest des Artikels lesen >
In der Datenbank und online ist eine neue Analyse vorhanden, diesmal in englischer Sprache und ausnahmsweise sehr lang. Inhaltlich geht es um Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in dem Libyen-Konflikt 2011. Diese wurden von einer Kommission untersucht, die die Vereinten Nationen eingesetzt haben. Die Analyse kommentiert den Bericht.
You may find the newest analysis in the database as well as online. The conflict in Libya 2011 has been closely monitored by an International Commission of Inquiry. As mandated by the United Nations Human Rights Council, the International Commission of Inquiry on Libya presented its report on violations of human rights law in Libya’s civil war. Allthough the report is very thourough, some remarks must be made. This analysis assesses the achievements and flaws of the report.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat sich Ende letzter Woche zu dem Konflikt zwischen Sudan und Südsudan geäußert. Vor allem ging es in der Resolution 2047 (2012) um die umstrittene Region Abyei.
Die Maßnahmen des Sicherheitsrates
Diese Region ist seit langem zwischen den beiden Staaten umstritten (mehr dazu hier, hier, hier und hier). Zur Beruhigung der Lage (und nicht zu deren endgültigen Klärung) hat der Sicherheitsrat eine demilitarisierte Zone eingerichtet, beide Staaten aufgefordert, ihre Truppen aus der Region zurückzuziehen und einen Grenzsicherungsmechanismus mit eigener Verwaltung und Polizei geschaffen.
Die Maßnahmen hatten bislang keinen Erfolg. Daher zeigt sich der Sicherheitsrat nunmehr besorgt über das Nichtfunktionieren des Grenzsicherungsmechanismus und über die anhaltende Präsenz sudanesischer Truppen in Abyei. Hingegen heißt er den Rückzug südsudanesischer Truppen aus der Region willkommen.
Interessant ist, dass der Sicherheitsrat von einer Verletzung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte spricht. Dem muss zugestimmt werden. Denn zwischen den beiden Staaten kam es zur Anwendung militärischer Gewalt, damit zu einem bewaffneten Konflikt und damit zur Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts. Der Sicherheitsrat geht zwar von Angriffen auch auf Zivilisten aus, verschweigt aber, dass diese Kriegsverbrechen darstellen könnten. In Anbetracht der Verantwortlichen in dem Konflikt auf sudanesischer Seite wäre dort etwas mehr Schärfe angebracht gewesen (hier).
Desweiteren verlängert der Sicherheitsrat das Mandat der UN Interim Securiy Force for Abyei (UNISFA) (mehr dazu hier) für zunächst sechs Monate, wobei er sich vorbehält, das Mandat ggf. der aktuellen Lage anzupassen. So kann der Sicherheitsrat reagieren, wenn die beiden Staaten ihren Verpflichten vollständig nachkommen.
Die Maßnahmen der Afrikanischen Union
Etwas schneller als der Sicherheitsrat reagierte der Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union. Dieser hatte Ende April eine Entscheidung vorlegt, in der er sich zu dem Konflikt geäußert hat. Der Sicherheitsrat hat in seiner Resolution 2047 (2012) auf die Entscheidung der Afrikanischen Union Bezug genommen und unterstützt diese voll.
Der AU-Friedens- und Sicherheitsrat gibt der Sorge ganz Afrikas über den Konflikt Ausdruck. Er verlangt u. a., dass die Konfliktparteien alle Gewalt einstellen, ihre Truppen zurückziehen, den Grenzsicherungsmechanismus in Kraft setzen und die Unterstützung der Rebellen im jeweils anderen Staat einstellen. Damit schafft der Friedens- und Sicherheitsrat keine neuen Verpflichtungen, sondern weist auf die schon bestehenden Pflichten der beiden Staaten hin, die sowohl aus dem allgemeinen und humanitären Völkerrecht als auch aus den Resolutionen des Sicherheitsrates stammen. Darüber hinaus fordert die AU die beiden Staaten auf, eine Lösung für die ölreiche Region zu finden. Die AU setzt dabei eine Frist von drei Monaten, nach deren Ablauf eine erneute Beschlussfassung erfolgen soll.
Das Engagement der internationalen Gemeinschaft ist zu begrüßen. Es zeigt deutlich auf, dass der Konflikt zwischen den beiden Staaten nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, auch wenn dies manchmal so scheinen mag. Es bleibt zu hoffen, dass die Lage sich entspannt und die beiden Staaten eine friedliche Lösung finden – und zwar mithilfe der AU oder VN.
Die neueste Analyse Nr. 12 mit dem Titel “Der Haftbefehl gegen Abdel Hussein von März 2012″ ist verfügbar. Sie können Sie entweder online lesen und kommentieren oder in der Datenbank herunterladen.
Die Analyse Nr. 13, The Report of the International Commission of Inquiry on Libya – A first Assessment, wird voraussichtlich Ende Mai erscheinen.
Der Haftbefehl des IStGH gegen den amtierenden Verteidigungsminister des Sudan von März 2012 ist rechtlich vertretbar und darüber hinaus zu begrüßen. Nicht nachvollziehbar ist, warum dieser Haftbefehl erst neun Jahre nach den vorgeworfenen Taten beantragt und ausgestellt wurde, betrafen doch bereits zwei Haftbefehle aus dem Jahr 2007 und ein Haftbefehl aus dem Jahr 2009 gegen andere Beschuldigte denselben Tatkomplex.
Der Beschuldigte und die Vorwürfe
1 Anfang März 2012 hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) gegen den amtierenden Verteidigungsminister des Sudan Haftbefehl erlassen. In einer früheren Funktion war Abdel Raheem Muhammad Hussein Innenminister des Sudan und Sonderbeauftragter des Präsidenten für Darfur. Der Haftbefehl erging aufgrund des Verdachts von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Hussein zu Beginn des Konfliktes in Darfur 2003/2004 begangen haben soll. Damit wächst die Zahl der Beschuldigten in der Darfur-Situation auf sechs, wobei das Verfahren gegen einen Beschuldigten eingestellt wurde und das Verfahren gegen zwei Beschuldigte demnächst beginnen soll.
2 Die Kammer wirft Hussein dreizehn Punkte vor, die er als mittelbarer Täter gemäß Art. 25 Abs. 3 lit. a) IStGH-Statut begangen haben soll. Dazu gehören die Verwirklichung von sieben Verbrechen gegen die Menschlichkeit und sechs Kriegsverbrechen.
3 Genauer handelt es sich um Vorwürfe der vorsätzlichen Tötung (Art. 7 Abs. 1 lit. a] IStGH-Statut), zwangsweisen Überführung der Bevölkerung (Art. 7 Abs. 1 lit. d] IStGH-Statut), des Freiheitsentzuges oder sonstiger schwerwiegender Freiheitsberaubung (Art. 7 Abs. 1 lit. e] IStGH-Statut), der Folter (Art. 7 Abs. 1 lit. f] IStGH-Statut), Vergewaltigung (Art. 7 Abs. 1 lit. g] IStGH-Statut), Verfolgung (Art. 7 Abs. 1 lit. h] IStGH-Statut) und anderer unmenschlicher Handlungen (Art. 7 Abs. 1 lit. k] IStGH-Statut) als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Kriegsverbrechen der vorsätzlichen Tötung (Art. 8 Abs. 2 lit. c] num. i] IStGH-Statut), Beeinträchtigung der persönlichen Würde (Art. 8 Abs. 2 lit. c] num. ii] IStGH-Statut), vorsätzlichen Angriffe gegen die Zivilbevölkerung (Art. 8 Abs. 2 lit. e] num. i] IStGH-Statut), Plünderung (Art. 8 Abs. 2 lit. e] num. v] IStGH-Statut), Vergewaltigung (Art. 8 Abs. 2 lit. e] num. vii] IStGH-Statut) und Zerstörung fremden Eigentums (Art. 8 Abs. 2 lit. e] num. xii] IStGH-Statut). Wie aus der Verortung der Verbrechen in Art. 8 Abs. 2 lit. c) und lit. e) IStGH-Statut ersichtlich ist, geht die Kammer nach wie vor davon aus, dass der Konflikt in Darfur 2003/2004 ein nicht-internationaler bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts war.
4 Hussein wird vorgeworfen, als Innenminister und Sonderbeauftragter des Präsidenten für Darfur Verbrechen befehligt und koordiniert zu haben. Die Vorwürfe sind teils identisch mit denen, die Ahmed Harun und Ali Kushayb (vgl. R. Frau, Erste konkrete Strafverfahren in der Darfur-Situation – Haftbefehle gegen Ahmed Harun und Ali Kushayb, DarfurSituation.org Analyse Nr. 2, 2010, Rn. 13) und teils identisch mit denen, die Omar al-Bashir vorgeworfen werden (R. Frau, Haftbefehl gegen den Präsidenten des Sudan, Omar al-Bashir, DarfurSituation.org Analyse Nr. 3, 2010). Mit dem Antrag des Anklägers und der Entscheidung der Kammer von 2012 konzentriert sich der IStGH nunmehr auf die Kommandoebene zwischen Ahmed Harun und Omar al-Bashir.
5 Aus rechtlicher Sicht sind daher Fragen des materiellen Rechts weniger interessant als andere Aspekte. Dennoch sollen kurz einige Bemerkungen gemacht werden.
6 Hussein hat eigenhändig weder gemordet, noch vergewaltigt, noch andere Taten begangen. Vorgeworfen wird ihm vielmehr, als Minister den Plan der Zentralregierung ausgeführt und koordiniert zu haben; die Kammer spricht insoweit von „command and control“. Sie verweist auf ihre Entscheidung in dem Verfahren gegen al-Bashir von 2009, in dem festgestellt wurde, dass hochrangige sudanesische Politiker und Militärs den sudanesischen Staatsapparat genutzt haben, um ihren verbrecherischen Plan umzusetzen. Hussein sei nicht nur ein einflussreiches Mitglied des innern Kerns gewesen (Rn. 23 der hier besprochenen Entscheidung), er sei, so ein Zeuge der Anklage, ein Architekt der Antwort auf die Aufstände in Darfur gewesen (Antrag des Anklägers, Rn. 36). Darüber hinaus habe er durch Dekrete die Polizei in Darfur gesteuert, unmittelbar in der Rekrutierung neuer Militär- und Polizeikräfte mitgewirkt und war verantwortlich für die Organisation und das Training der Popular Defence Forces und der Janjaweed. In seiner Verantwortlichkeit als Polizeiführer habe er eine gezielte Politik der Nichteinmischung verfolgt, wenn es zu Straftaten von Seiten der regierungstreuen Milizen gekommen ist. Omar al-Bashir habe dabei seine Befehlsgewalt an Hussein delegiert, die dieser wiederrum an Harun delegiert habe (Rn. 31).
7 Die Kammer gibt sich große Mühe, den Vorsatz von Hussein nachzuweisen. Sie betont, dass er in seiner Position durchaus in der Lage war, die Folgen seines Handelns abzusehen. Mehr noch, er wusste genau, was sich in Darfur abspielte, akzeptierte die Vorkommnisse und unternahm nichts, um sie in Zukunft zu unterbinden.
Immunität, Komplementarität und der Grund für den Haftbefehl
8 Interessanter sind andere Aspekte, die von der Kammer bloß gestreift werden. Nur kurz behauptet die Kammer, dass weder die derzeitige Position von Hussein als Verteidigungsminister noch die früheren Funktionen als Innenminister und Sonderbeauftragter des Präsidenten für Darfur die Strafverfolgung verhinderten. Die Kammer verweist dabei auf Art. 27 IStGH-Statut. Doch irrt die Kammer hier, denn diese vertragsrechtliche Ausnahme gilt für den Sudan als Nichtvertragspartei gerade nicht. Im Falle einer Sicherheitsratsüberweisung wird diese Immunität allerdings wegen der insoweit vorgehenden Verbindlichkeit der Überweisungsresolution völkerrechtsgemäß aufgehoben.
9 Nur oberflächlich äußert sich die Kammer zu der Frage der Komplementarität (anders als noch der Ankläger, vgl. Rn. 86 ff. seines Antrages). Demnach kann der IStGH seine Gerichtsbarkeit nur ausüben, wenn nationale Strafverfolgungsmaßnahmen nicht stattfinden oder nicht erfolgversprechend sind, Art. 17 IStGH-Statut. Dass die derzeitigen sudanesischen Strafverfolgungs-maßnahmen generell nicht geeignet sind, den IStGH an der Strafverfolgung zu hindern, wurde bereits dargelegt (R. Frau, Erste konkrete Strafverfahren in der Darfur-Situation – Haftbefehle gegen Ahmed Harun und Ali Kushayb, DarfurSituation.org Analyse Nr. 2, 2010, Rn. 18 ff.). Auch ist nicht ersichtlich, dass konkret gegen den Beschuldigten Hussein ermittelt wird. Damit ist die Strafverfolgung durch den IStGH zulässig. Es wäre zu begrüßen gewesen, wenn die Kammer es nicht bloß abgelehnt hätte, auf Fragen der Komplementarität einzugehen, sondern diese inhaltlich beantwortet hätte.
10 Die Kammer betont, dass der Haftbefehl erforderlich sei, um das Erscheinen von Hussein in Den Haag sicherzustellen. Aufgrund seiner herausgehobenen Position werde er nicht freiwillig vor dem IStGH erscheinen. Dabei verweist die Kammer auf die schlechten Erfahrungen, die der IStGH mit den bisherigen sudanesischen Funktionsträgern gemacht hat. Deren Verhalten kann Hussein aber nicht angelastet werden. Zu Recht geht die Kammer in der Folge davon aus, dass die sudanesische Regierung, die immerhin von einem gesuchten Beschuldigten geführt wird, sich bislang jeder Kooperation verweigert hat. Dieses Verhalten dürfte sich bei einem Haftbefehl gegen ein Mitglied des innersten Führungszirkels nicht ändern.
11 Der Ankläger hat den Haftbefehl auch aus Abschreckungsgründen beantragt. Ein Haftbefehl kann nach Art. 59 Abs. 1 lit. b) num. iii) IStGH-Statut auch ergehen, um den Beschuldigten an der weiteren Begehung dieses Verbrechens oder eines damit im Zusammenhang stehenden Verbrechens zu hindern, das sich aus den gleichen Umständen ergibt. Allerdings lehnt die Kammer ab, den Haftbefehl auch aus dieser präventiven Dimension heraus zu erlassen, und dies zu Recht. Denn der Ankläger behauptet kurz in einem Satz, dass Hussein noch immer Verbrechen befehlt oder koordiniert (Antrag, Rn. 91). Dennoch: Der Abschreckungseffekt könnte für Hussein in einem anderen Konflikt eine Rolle spielen.
Der Konflikt mit dem Südsudan
12 Im Konflikt des Sudan mit dem Südsudan hat Hussein bereits martialische Äußerungen von sich gegeben hat. Er habe, so Presseberichte, angekündigt, mit aller Härte gegen den Südsudan vorzugehen. Seit der Trennung des Südsudan vom Sudan 2011 streiten sich beide Staaten über ölreiche Grenzregionen. Im März und April 2012 kam es dabei zum Einsatz von Waffengewalt in der Region um Heglig, einer kleinen Stadt im sudanesischen Bundesstaat Süd-Kordofan. Dabei ist umstritten ob der Südsudan mit seinen Streitkräften offensiv gegen den Sudan vorgegangen ist (so die Angaben des Sudan) oder ob der militärische Vorstoß in Selbstverteidigung des Südsudan gegen eine vorhergehende Militäroperation des Sudan auf südsudanesischem Territorium erfolgt ist (so die südsudanesische Begründung).
13 Hussein soll angekündigt haben, die Aggressoren „mit allen Mitteln“ zurückzuschlagen. Ahmed Harun, der heute Gouverneur des Bundesstaates Süd-Kordofan ist, soll nach Angaben von Al Jazeera sudanesische Soldaten dazu aufgerufen haben, keine Gefangenen zu machen. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wovon der Chefankläger des IStGH in einer Pressemitteilung ausging, dann könnte Haruns Aufruf ein Kriegsverbrechen nach Art. 8 Abs. 2 lit. e) num. x) IStGH-Statut darstellen.
14 Es steht zu befürchten, dass sich das Muster aus Darfur wiederholt: Auf höchster Ebene entscheiden Omar al-Bashir und sein Stab, zu dem auch der Minister Hussein gehört, über die Strategie gegen den Gegner. Dazu gehört, Kriegsverbrechen und in Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. Ausgeführt wird der Plan dann von Soldaten oder Milizen vor Ort, die vom regionalen Befehlshaber Ahmed Harun befehligt werden. Dies ist freilich für den Konflikt mit dem Südsudan nicht bewiesen. Sollte es sich aber bewahrheiten, dann zeigt dies deutlich den Abschreckungseffekt auf, den Haftbefehle des IStGH haben, insb. wenn sie jahrelang nicht vollstreckt und von der Staatengemeinschaft nicht mit dem erforderlichen Ernst betrieben werden.
Zur Kooperationspflicht der Staaten
15 Daher ist im Fall gegen Hussein zu begrüßen, dass die Kammer deutlich zur Kooperation auffordert. In drei Beschlüssen von Mitte März wendet sie sich an die internationale Gemeinschaft, differenziert dabei zwischen den verschiedenen Adressaten und erinnert diese an ihre jeweiligen Mitwirkungspflichten.
16 Die Kammer fordert den Sudan ausdrücklich dazu auf, mit dem IStGH zu kooperieren und Hussein festzunehmen und an den IStGH zu überstellen. Als Nichtvertragspartei gilt, dass der Sudan nur durch die Überweisungsresolution Res. 1593 (2005) zur Zusammenarbeit verpflichtet ist, und zwar im gleichen Ausmaß wie eine Vertragspartei des Statuts.
17 Ebenso werden die Mitgliedststaaten des IStGH aufgefordert, Hussein festzunehmen und an den IStGH zu überstellen. Dabei scheint die Kammer nicht einmal die Möglichkeit zuzulassen, dass Staaten selbst Strafverfolgungsmaßnahmen gegen den Beschuldigten durchführen. Dies ist verwunderlich, sind nach dem Grundsatz der Komplementarität doch primär die Staaten und erst sekundär der IStGH zur Strafverfolgung zuständig. Der Kammer ist aber zuzugestehen, dass kein Staaten ersichtlich ist, der Gerichtsbarkeit über die Taten hat.
18 In einem dritten Aufruf wendet sich die Kammer an Mitglieder des Sicherheitsrates, die nicht Vertragsparteien des IStGH-Statuts sind. Hier ist die Sprache schon diplomatischer. Anstatt die Staaten aufzufordern, Hussein festzunehmen und zu überstellen, werden diese Staaten lediglich dazu eingeladen. Das ist richtig, hat der IStGH doch keine Kompetenz gegenüber Nichtvertragsparteien, die nicht zur Kooperation verpflichtet sind. Bedauerlichweise erinnert die Kammer den Sicherheitsrat lediglich daran, dass er selber den Sudan zur Kooperation verpflichtet hat; die Kammer bittet den Sicherheitsrat dagegen nicht um Mithilfe bei der Vollstreckung – eine verpasste Chance.
Ergebnis
19 Die Entscheidung der Kammer ist aus einer rechtlichen Perspektive zu begrüßen. Es verwundert aber, warum der Haftbefehl erst jetzt, neun Jahre nach den vorgeworfenen Taten, beantragt und ausgestellt wird. Dabei darf zwar nicht vergessen werden, dass der Nachweis über die Taten eines Schreibtischtäters für die Anklagebehörde schwer zu führen gewesen sein muss. Warum war es aber einfacher, sowohl für die niedrige als auch für die höhere Kommandoebene Haftbefehle zu beantragen? Dies erschließt sich aus den veröffentlichten Dokumenten nicht.
20 Es bleibt zu hoffen, dass der Haftbefehl auch durchgesetzt wird. Andernfalls verliert der IStGH immer mehr an Autorität und Glaubwürdigkeit. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen in den Fällen Harun und al-Bashir steht aber zu befürchten, dass auch dieser Haftbefehl von allen Verantwortlichen ignoriert wird.
Der Sicherheitsrat hat am 2. Mai eine Resolution erlassen, die sich mit dem Konflikt in Heglig befasst (mehr dazu hier). Die Resolution wird auf diesem Blog vorgestellt werden.
Nur kurz möchte ich daher erwähnen, dass der Sicherheitsrat den beiden Staaten nur 48 Stunden zugestand, sich aus den umstrittenen Regionen zurückzuziehen. Die Lage zwischen den beiden Staaten sieht er daher als Gefahr für den Weltfrieden im Sinne des Art. 39 VNCh an, das ist auch richtig so. Sollten die Staaten die Maßnahmen nicht bis heute ergreifen, kündigt der Sicherheitsrat Maßnahmen nach Art. 41 VNCh an, also weitere Sanktionen.
In Heft 4/2011 der Zeitschrift Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften ist ein Aufsatz von Manuel Brunner und mir zu dem Konflikt in Libyen erschienen. Er ist auf den Seiten der Zeitschrift online verfügbar.
Die schlimmsten Befürchtungen scheinen sich zu bewahrheiten: Sudan und Südsudan steuern auf einen bewaffneten Konflikt zu. Dabei hat die Loslösung des Südsudan vom (Rest-)Sudan im Sommer des letzten Jahres die Hoffnung genährt, dass die schwierige Beziehung der beiden Regionen verbessert werden könnte. Allerdings war schon damals absehbar, dass die ungeklärten Fragen um das Öl Anlass für zukünftigen Streit werden würden/könnten.
Dabei bestand durchaus Anlass zur Hoffnung (auch hier in diesem Blog), während andere die Lage – leider – realistischer einschätzen. Die friedliche Staatswerdung des Südsudan sollte die United Nations Mission in the Republic of South Sudan (UNMISS) sicherstellen. Bis heute sind mehr als 5.500 Soldaten, Militärberater und Polizisten im Einsatz, um das Mandat zu erfüllen. Zusätzlich sind nahezu 4.000 Soldaten und Militärberater in der United Nations Interim Security Force for Abyei (UNISFA) im Einsatz. Die UNISFA soll die Demilitarisierung der umstrittenen Region Abyei sichern (mehr hier). Diese Region ist aufgrund der Ölvorkommen zwischen den beiden Staaten umstritten. Zwar wurde durch einen Schiedsspruch des Permanent Court of Arbitration im Jahr 2009 der Großteil der Region dem Sudan zugesprochen, aber nicht alle Probleme wurden gelöst.
Der Konflikt um Heglig
Um einen der ungeklärten Streitpunkte wird derzeit mit Waffengewalt gerungen. Der Präsident des Südsudan, Salva Kiir, hat einen Staatsbesuch in China abgebrochen und von “Krieg” zwischen den beiden Staaten gesprochen. Es handelt sich dabei um die Region um Heglig. Heglig ist eine kleine Stadt, die zum sudanesischen Bundesstaat Süd-Kordofan gehört und an der Grenze zum Südsudan liegt.
Quelle: Wikipedia, eigene Ergänzungen
Der Südsudan hat im April 2012 die Region um Heglig militärisch besetzt. Begründet wurde diese Operation mit dem Recht des Südsudan auf Selbstverteidigung, denn der Sudan soll zuvor südsudanesisches Territorium angegriffen haben. Der Sudan sieht hingegen in der Aktion eine militärische Aggression. Bereits nach wenigen Tagen zogen sich die südsudanesischen Truppen wieder zurück. Nach den Angaben des Südsudan geschah dies freiwillig, nach sudanesischen Angaben wurden die Truppen aber gewaltsam zurückgeschlagen. So kündigte der Verteidigungsminister des Sudan, Abdel Raheem Muhammad Hussein, bereits vor dem Rückzug an, Heglig mit “allen Mitteln” zurückzuerobern. Dass Hussein vom IStGH per Haftbefehl wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Darfur gesucht wird, sei nur am Rande erwähnt.
Ebenso besorgniserregend ist es, dass Süd-Kordofan von Ahmed Harun regiert wird. Auch Harun wird vom IStGH per Haftbefehl wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Darfur gesucht. Es handelt sich dabei um dieselben Vorwürfe wie gegen Hussein. Als ob dies nicht genug Grund zur Sorge böte, soll er im Konflikt im Heglig bereits Kriegsverbrechen befohlen haben (hier).
Human Rights Watch dokumentiert darüber hinaus, dass der Sudan den Grenzkonflikt mit dem Südsudan zum Anlass nimmt, in Blue-Nile-State, einem seiner Bundesstaaten, unterschiedslose Angriffe gegen die Zivilbevölkerung durchzuführen und dass dort Kriegsverbrechen begangen werden.
Die Reaktion der Staatengemeinschaft
Die Staatengemeinschaft reagiert vor allem durch die Vereinten Nationen auf die Krise. So hat der Präsident des Sicherheitsrates in seinen Erklärungen vom 6. März 2012 und 12. April 2012 die Sorge des Sicherheitsrates über die angespannte Situation geäußert, beide Seiten aufgefordert, ihre jeweiligen Militäraktionen zu stoppen und ihre Truppen aus Abyei zurückzuziehen. In Reaktion auf die Kämpfe um Heglig hat der Sicherheitsrat den Südsudan aufgefordert, seine Truppen zurückzuziehen.
Eine Sicherheitsratsresolution nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen wurde bislang nicht verabschiedet (und, soweit ersichtlich) auch nicht vorgeschlagen. Dafür ist erforderlich, dass der Sicherheitsrat eine Bedrohung des Weltfriedens feststellt. Militärische Gewalt zwischen zwei Staaten, die noch dazu von martialischen Äußerungen von beiden Konfliktparteien begleitet wird, stellt eine solche Gefahr dar. Dies erkennt auch der Präsident des Sicherheitsrates, wenn er in der letzten Erklärung eben dies feststellt. Darüber hinaus kündigte er an, bei Bedarf weitere Schritte zu ergreifen. Damit ist eine Resolution nach Kapitel VII der Charta gemeint. Welche konkreten Maßnahmen aber getroffen werden könnten, verschweigt der Präsident.
Der Konflikt um Heglig und der IStGH
Weder der Sudan noch der Südsudan sind Vertragsparteien des IStGH-Statuts. Eine strafrechtliche Aufarbeitung oder Begleitung des Konfliktes zwischen den beiden Staaten kommt daher nicht in Betracht.
Daran ändert auch die Sicherheitsratsresolution 1593 (2005) nichts, durch welche die Situation in Darfur an den IStGH überwiesen wurde (mehr hier). Zwar ist lokal nicht genau bestimmt, was zu der “Situation” gehört. Allerdings ist erforderlich, dass ein Bezug zu dem Konflikt in Darfur vorliegt. Kommt es aber im Verlauf der Gefechte um Heglig oder Abyei zu Kriegsverbrechen, so dürfte ein solcher Bezug nicht zu erkennen sein.
Auch hat der Sudan wenig Interesse daran, einseitig die Zuständigkeit des IStGH für den Konflikt um Heglig zu begründen. Dies wäre durch eine ad-hoc-Anerkennung, begrenzt eben auf diesen Konflikt, möglich. Damit würde sich der Sudan aber in Widerspruch zu seiner Ablehnung des Gerichtshofs im Darfur-Konflikt setzen, und daher ist eine solche Anerkennung illusorisch. Eine Anerkennung durch den Südsudan würde auf den Konflikt um Heglig keine Auswirkungen haben, da Heglig nun einmal nicht im Südsudan, sondern im Sudan liegt.
Eine erneute Überweisung durch den Sicherheitsrat an den IStGH ist illusorisch. Daneben ist fraglich, ob eine solche Überweisung überhaupt Sinn ergeben würde. Immerhin werden zwei der Beteiligten bereits mit Haftbefehlen des IStGH gesucht, Harun sogar schon seit 2007. Daran ist deutlich zu erkennen, welchen Abschreckungseffekt die Haftbefehle haben. Bevor der Sicherheitsrat also eine neue Front eröffnet und dem IStGH mehr Arbeit zumutet, sollte der Sicherheitsrat den bestehenden Haftbefehlen zu mehr praktischer Wirksamkeit verhelfen. (Seine Überweisung hat der Sicherheitsrat wohl schon verdrängt: In der neusten Darfur-Resolution, Res. 2035 (2012) vom 17. Februar 2012, werden weder die Res. 1593 (2005) noch der IStGH erwähnt.)
Ergebnis
Die Spannungen zwischen den beiden Staaten werden auch in den nächsten Monaten zu weiterer Gewalt führen. Es bleibt zu hoffen, dass die Staatengemeinschaft entschlossen handeln wird und dass zumindest ein ausgewachsener bewaffneter Konflikt verhindert wird.
Joseph Kony, Anführer der Lord’s Resistance Army in Uganda, wird seit 2005 per Haftbefehl vom IStGH gesucht. Bisher konnte er nicht gefasst werden. Dies soll die Kampagne “Kony 2012″ ändern (mehr dazu hier). Nunmehr sind Gerüchte laut geworden (hier und hier, die arabische Meldung auf der Originalwebseite der SLM-MM hier kann ich leider nicht lesen), wonach Kony in Darfur sein soll. Ob dies wahr ist, kann kaum beurteilt werden. Die Gerüchte werden von Mini Minawis Sudan Liberation Movement (SLM-MM) gestreut. Minawi war Rebellenführer, nach dem Friedensabkommen von 2006 Mitglied der sudanesischen Zentralregierung und nach deren Scheitern ist er wieder Rebellenführer. Die Meldung mag daher nur der Versuch sein, von der Aufmerksamkeit für Kony zu profitieren.