Die Lage in ganz Libyen ist undurchsichtig…In ganz Libyen? Nein! Denn neben den offenen Fragen (Wo ist Gaddafi? Was ist genau mit seinen Söhnen passiert? Wer kontrolliert welche Teile von Tripolis?) ist eine Frage nunmehr geklärt: Das Verschmelzen von Bürgerkrieg und internationalem Konflikt zu einem einzigen Libyen-Krieg.

Bislang musste man davon ausgehen, dass in Libyen zwei Konflikte vorlagen: Zum einen der nicht-internationale bewaffnete Konflikt zwischen den Rebellen und der Regierung (vulgo: Bürgerkrieg) und zum anderen der internationale bewaffnete Konflikt zwischen der libyschen Regierung und den Staaten, die von der Ermächtigung aus Res. 1973 (2011) des Sicherheitsrates zum Krieg gegen Libyen Gebrauch gemacht haben (näheres hier).

Verschmelzen der Konflikte

Verschiedene Medien berichten nun ganz offen, dass die Staaten gemeinsam mit den Rebellen gegen das Gaddafi-Regime vorgehen. Deutlich wird dies bei SPIEGEL ONLINE („Nato ebnete Rebellen den Weg“). Solche Berichte hat es in der Vergangenheit immer gegeben. Jetzt ist es aber nicht mehr zu leugnen: Wenn die Rebellen Gaddafis Palast in Libyen angreifen und dabei von der Luftunterstützung der Staaten profitieren, dann arbeiten sie zusammen. In diesem Fall schlagen sich die Staaten auf die Seite der Rebellen. Damit stehen sich auf beiden Seiten Völkerrechtssubjekte gegenüber und damit verschmelzen die beiden Konflikte zu einem.

Welche Bedeutung hat das? Vor allem kommt jetzt ein anderer Katalog von Kriegsverbrechen in Betracht. In Zukunft sind dies nicht mehr nur die Kriegsverbrechen  in einem Bürgerkrieg, sondern die eines internationalen Konfliktes. Wichtig ist dies, weil im Bürgerkrieg weniger Straftatbestände existieren als im internationalen Konflikt.

Res. 1970, 1973 (2011) als Blaupause für die Zukunft?

Zu befürchten ist – wenn denn der Krieg in den nächsten Tagen oder Wochen zu Ende gehen sollte – dass willige Staaten sich in Zukunft ein Beispiel am Vorgehen gegen Libyen nehmen werden.

Anders als in Afghanistan oder im Irak sind eben kaum internationale Bodentruppen im Kriegsland (außer den zur Zielmarkierung erforderlichen Einsatzkräften). Vielmehr nutzt die Allianz ihre Luftüberlegenheit. Die Staaten müssen im Libyen-Krieg wesentlich weniger Kosten vor ihren Bevölkerungen rechtfertigen: Sowohl weniger Menschenleben auf der eigenen Seite als auch weniger finanzielle Ressourcen.

Die militärischen Maßnahmen sind völkerrechtlich zulässig (dazu mehr hier). Sie sind zwar ausdrücklich auf den Schutz von Zivilpersonen beschränkt, aber wenn eine Regierung Krieg gegen das eigene Volk führt, dann führt der Sturz dieser Regierung eben zum Schutz der Zivilbevölkerung (zumindest in der Theorie, ein Gegenbeispiel bildet vor allem der Irak).

Trotzdem ist/wird das erklärte Ziel erreicht: Das Regime fällt.

Man kann nun das Vorgehen der Allianz als genuin altruistisch betrachten, oder den Staaten Böses unterstellen. Es bleibt abzuwarten, welches Beispiel die Res. 1970, 1973 (2011) setzen.

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