Am Freitag wurde Abdullah al-Senussi, der ehemalige Geheimdienstchef Libyens, in Mauretanien verhaftet (Bericht auf Spiegel Online). Senussi wird seit dem letzten Sommer mit einem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gesucht. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt (näheres hier, hier und hier).

Libyen hat die Auslieferung Senussis beantragt. Mauretanien ist nicht Vertragspartei des Römischen Statutes. Es gibt daher keine Verpflichtung, mit dem Strafgerichtshof zu kooperieren oder den Verdächtigen gleich nach Den Haag zu überstellen. Auch die Resolutionen des VN-Sicherheitsrates verpflichten Mauretanien nicht zur Kooperation.

Rechtlich zulässig sind die folgenden Möglichkeiten:

1. Mauretanien liefert Senussi an Libyen aus. Dazu ist es bei einem Antrag Libyens berechtigt. In der Folge kann Libyen

a) seine Strafgewalt selbst ausüben oder

b) Senussi an den IStGH überstellen.

Nach dem Grundsatz der Komplementarität hat die Strafverfolgung durch Libyen sogar Priorität. Erst wenn libysche Behörden nicht willens oder nicht in der Lage sind, ein rechtsstaatliches Verfahren durchzuführen, darf der IStGH ein Verfahren durchführen.

Daneben gibt es eine weitere Möglichkeit:

2. Mauretanien stellt Senussi selbst vor Gericht. Ein solches Verfahren könnte die Vorwürfe der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit umfassen. Es müsste allerdings auf dem Weltrechtsprinzip basieren. Demnach darf jeder Staat über einen Völkerrechtsverbrecher zu Gericht sitzen und dessen Taten strafrechtlich ahnden, selbst wenn es keinen Bezug zum Inland gibt. Die herrschende Meinung erkennt wohl an, dass das Weltrechtsprinzip für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gilt (so auch der deutsche Gesetzgeber, der dies in § 1 des Völkerstrafgesetzbuches vorsieht).

Wahrscheinlich ist, dass Mauretanien Senussi an Libyen überstellt und dort ein Prozess stattfinden wird. Allerdings ist zweifelhaft, ob dieses Verfahren rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt. Es sei nur darauf hingewiesen, dass Saif-al-Islam al-Gaddafi, den der IStGH gerne in Den Haag sehen würde (und der selber gerne nach Den Haag überstellt werden würde), noch immer von libyschen Rebellen festgehalten wird. Ob ein Prozess gegen ihn stattfinden wird, ist unklar.

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