Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am 11. Juli den Aufnahmeantrag Südsudans an das Committee on the Admission of New Members verwiesen. Damit ist der erste Schritt getan, dass der Südsudan demnächst das 193. Mitglied der Vereinten Nationen wird. Mit einer Entscheidung ist demnächst zu rechnen, vielleicht noch im Juli.

Für die Leser, die der genaue Ablauf interessiert, hat der Security Council Monitor eine ausführliche Übersicht zusammengestellt:

  • The new state submits an application to the Secretary-General containing a formal declaration accepting the obligations of the UN Charter.
  • The Secretary-General sends a copy of the application to the General Assembly and to the Council. The Council will consider the application at a formal closed meeting and adopt an agenda usually titled “Admission of New Members”.   At this initial session the Council usually agrees that the application should be referred by the President of the Council to a Committee of the Security Council.
  • The Committee examines the application and reports its conclusions to the Council no later than 35 days before a regular session of the General Assembly or no later than 14 days before a Special Session of the General Assembly. (In recent years the practice has been for the Council to complete its consideration rather quickly. For instance, the interval between the first meeting of the Council to consider an application, the committee meeting and the second open meeting of the Council where it adopts its recommendation to the General Assembly is often held within a twenty-four hour period).
  • As membership is a substantive issue nine of the fifteen members of the Council, including all five of the permanent members, must agree to the admission of the new state. Among the criteria for admission is whether the new state is peace-loving and is able and willing to carry out the obligations contained in the Charter.
  • If the Committee recommends admission it usually presents the Council with a draft resolution recommending admission of the new state for consideration by the General Assembly.
  • If the Council recommends admission, the recommendation is presented to the General Assembly for consideration. The Council cannot make its recommendation less than 25 days ahead of a regular session of the General Assembly or less than four days ahead of a special session.  However, under special circumstances, the Council may waive the time limits.  This occurred most recently in 2000 when the Council waived the time limit for Tuvalu and Yugoslavia so that their applications could be considered by the General Assembly’s 55th session.
  • A two-thirds majority is needed in the General Assembly for admission of a new member, and membership is effective on the date that the resolution of admission is adopted.
  • If the Council decides not to recommend the new state for admission or postpones consideration of the application, it has to submit a special report to the General Assembly.  The General Assembly considers this special report and sends the application back to the Council with a full record of its discussion for further consideration and recommendation. While most applications for membership have gone through smoothly, there have been contentious cases. For example, In 1955 Mongolia’s bid for membership was thwarted by China’s veto (when the seat was filled by the Republic of China (ROC) and not the People’s Republic of China (PRC)) as it saw Mongolia as part of China. This postponed the admission of Mongolia until 1960, when the Soviet Union announced that unless Mongolia was admitted, it would block the admission of all of the newly independent African states.  As recently as 2000 China abstained from voting on Tuvalu’s membership as it objected to the fact that Tuvalu had diplomatic relations with Taiwan.

Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Vereinte Nationen enthält einen Beitrag zu den “UN-Maßnahmen gegen Libyen” von Robin Geiß und Maral Kashgar. Ich bin noch nicht zur genauen Lektüre gekommen, sondern habe den Artikel nur überflogen. Auf den ersten Blick stimme ich dem Artikel aber zu.

Seit gestern ist der Sudan nun zweigeteilt: Der Südsudan ist unabhängig.

Quelle des Bildes: www.tagesschau.de

Wenige Tage vor der geplanten Unabhängig des Südsudans versucht die internationale Gemeinschaft, einen friedliche Loslösung zu ermöglichen. Streitgegenstand zwischen dem Staat in statu nascendi Südsudan und dem (Rest-) Sudan ist nach wie vor die erdölreiche Region Abyei.

Die beiden Konfliktparteien haben am 20. Juni 2011 in Addis Abeba das „Abkommen zwischen der Regierung Sudans und der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung über vorläufige Regelungen für die Verwaltung und Sicherheit des Gebietes Abyei“ geschlossen, das als vorläufiges Abkommen gerade keine Antworten auf die Fragen nach dem endgültigen Verbleib der Region und der Ausbeutung des Erdöls gibt. Zur Lösungen verweisen die Parteien auf die bereits verschobene – und immer weniger realistische werdende – Volksabstimmung in Abyei und den Schiedsspruch des Permanent Court of Arbitration aus dem Jahr 2009. Geregelt werden hingegen die Entmilitarisierung Abyeis, die gemeinsame Verwaltung des Gebiets einschließlich einer gemeinsamen Polizeitruppe, das Rückkehrrecht der Binnenflüchtlinge und die Stationierung einer internationalen Sicherheitstruppe, die von den Vereinten Nationen entsandt werden soll.

Der Sicherheitsrat hat daraufhin am 27. Juni 2011 reagiert und einstimmig die Resolution 1990 (2011) verabschiedet. Kerninhalt dieser Resolution ist die Entsendung der UN Interim Securiy Force for Abyei (UNISFA) für zunächst sechs Monate. Diese setzt sich aus bis zu 4.200 Soldaten und 50 Polizisten zusammen, die von Äthiopien gestellt werden, und soll „eine angemessene zivile Unterstützung“ erfahren. Deren Mandat umfasst die Überwachung der Entmilitarisierung Abyeis, die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden (insb. dem zu schaffenden Polizeidienst von Abyei), humanitäre Hilfsaufgaben und den Schutz der Erdölinfrastrukur, der gemeinsam mit der Polizei erfolgen soll. Robust wird das Mandat durch einen Teil, der nach Kapitel VII VNCh beschlossen wurde. Davon umfasst sind die Herstellung/Wahrung allgemeiner Sicherheit in Abyei, der Schutz der UNISFA- und anderen VN-Mitarbeiter und v. a. der Schutz solcher „Zivilpersonen, die unmittelbar von körperlicher Gewalt bedroht sind“. Die UNISFA wird autorisiert, Abyei vor dem Eindringen nicht autorisierter Elemente zu schützen, wie dies in dem Abkommen festgelegt wurde: also vor allem eine Rückkehr süd- oder „rest-“ sudanesischer Soldaten zu verhindern und damit weitere Gewalt auszuschließen.

Nach dem derzeitigen Planungsstand soll die UNISFA am 8. Juli voll einsatzbereit sein – einen Tag vor der geplanten Unabhängigkeit.

Ob die UNISFA einen friedlichen Start in die Unabhängigkeit gewährleisten kann, wird sich zeigen. Optimistisch stimmt dabei, dass sich die Konfliktparteien aus der Region zurückziehen müssen und dies nunmehr vom Sicherheitsrat auch ausdrücklich anerkannt wurde. Leider hat die UNISFA nicht auch ausdrücklich das Mandat, die Rückkehr der Binnenflüchtlinge sicherzustellen. Allein über die „Generalklausel“ zum Schutz der bedrohten Zivilbevölkerung kann bewirkt werden, dass den Flüchtlingen eine sichere Rückkehr ermöglicht wird.

Deutscher Text der Resolution 1990 (2011)

Abkommen vom 20.6.2011

Entscheidung des Permanent Court of Arbitration

Erneuter Streit im Sudan: Öl, Abyei und Kordofan – Teil 1

Erneuter Streit im Sudan: Öl, Abyei und Kordofan – Teil 2

Update 13.7.: Dieser Text ist in aktualisierter Version vom IFHV der Uni Bochum als Bofax Nr. 389D herausgegeben worden. (Link)

Heute übernimmt Deutschland für einen Monat den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Man darf gespannt sein, welche Maßnahmen der Sicherheitsrat unter deutschem Vorsitz im Bereich des Völkerstrafrechts ergreift. Genug Aufgaben bleiben: Durchsetzung der Haftbefehle des IStGH, vor allem in den Fällen Bashir und Gaddafi, und eine mögliche Überweisung der Syrien-Situation. Wir werden die Arbeit mitverfolgen und hier kommentieren.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat sich am Montag mit der Lage in Abyei befasst und eine Resolution nach Kapitel VII der Charta erlassen. In den nächsten Tagen werde ich mich damit befassen und die Ergebnisse hier veröffentlichen.

Diejenigen, die sich die Resolution ansehen wollen, finden sie auf den Seiten des Sicherheitsrates (eine direkte Verlinkung ist leider nicht möglich).

s. auch “Erneuter Streit im Sudan: Öl, Abyei und Kordofan – Teil 1″

Die FAZ berichtet heute über den Besuch von Omar al-Bashir in China.

Bashir, der mit einem Haftbefehl wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gesucht wird, reiste nach China, um die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Staaten zu stärken. China stellt für den Sudan den wohl wichtigsten Handelspartner dar. Die Chinesen beziehen den Löwenanteil des sudanesischen Öls, der einen deutlichen Anteil ihres eigenen Ölimports ausmacht.

Ganz abgesehen von dem Haftbefehl sind diese Beziehungen aber gespannt: In den nächsten Tagen wird der Südsudan unabhängi. Im Südsudan aber befinden sich aber die großen sudanesischen Ölvorkommen. China ist daher an einem guten, zumindest friedlichen, Verhältnis der beiden sudanesischen Staaten gelegen (zu den letzten Konflikten siehe hier).

Der Haftbefehl selbst kann den Chinesen rechtlich gleichgültig sein, denn weder ist China Vertragspartei des IStGH-Statuts noch ist China über die Res. 1593 (2005) zur Kooperation mit dem Gerichtshof verpflichtet.

Am 27.6.2011 hat die Vorverfahrenskammer I des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag Haftbefehle gegen den libyschen de-facto-Staatschef Muammar al-Gaddafi, dessen Sohn und libyschen de-facto-Regierungschef Saif-al-Islam und den Chef des militärischen Geheimdienstes Abdullah al-Senussi erlassen. Sie ist dabei im Großen und Ganzen dem Antrag des Anklägers von Mitte Mai gefolgt – eine unglückliche Entscheidung.

(1) Die Haftbefehle ergingen wegen des Verdachts der Verbrechen gegen die Menschlichkeit der vorsätzlichen Tötung (Art. 7 Abs. 1 lit. a] IStGH-Statut) und der Verfolgung (Art. 7 Abs. 1 lit. h] IStGH-Statut). Die Kammer sieht den erforderlichen Begehungszusammenhang als erfüllt an. Dieses geschieht mit großem Begründungsaufwand, denn das Chapeau von Art. 7 IStGH-Statut setzt voraus, dass eine Handlungen im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs begangen werden muss, um als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu gelten.

(2) Konsequenterweise stellt die Kammer keinen Haftbefehl für Kriegsverbrechen aus. Konsequent, weil schon der Antrag des Anklägers ausdrücklich keine Kriegsverbrechen umfasste. Dies verwundert. Denn zu Recht geht der Ankläger davon aus, dass „seit Ende Februar“ ein nicht-internationaler bewaffneter Konflikt vorliegt. Er meint sogar ausdrücklich, dass Kriegsverbrechen begangen werden. Umso erstaunlicher, dass Kriegsverbrechen fehlen, weil diese gerade keinen Begehungszusammenhang erfordern, sondern nur, dass eine Tat im bewaffneten Konflikt begangen wurde. Damit ist der Begründungsaufwand kleiner, eine geplanter Großangriff auf die Zivilbevölkerung muss gerade nicht nachgewiesen werden. Warum der Ankläger seinen Antrag beschränkt hat, erschließt sich nicht.

(3) Die Gesuchten genießen keine Immunität. Dies gilt allerdings erst seit dem 26.2.2011, denn erst an diesem Tag hat der Sicherheitsrat mit Resolution 1970 (2011) etwaige gewohnheitsrechtliche Immunitäten aufgehoben. Der vertragsrechtliche Verzicht auf die Immunität durch Art. 27 IStGH-Statut gilt für Libyen als Nichtvertragspartei gerade nicht. Rückwirkend kann auch der Sicherheitsrat die Immunität nicht aufheben. Problematisch dabei ist, dass die den Gaddafis vorgeworfenen Taten, in dem „Zeitraum vom 15.2. bis mindestens zum 28.2.2011“ begangen worden sind. Damit muss sich der Haftbefehl auf die letzten beiden Februartage beschränken, um völkerrechtsgemäß zu sein. Al-Senussi ist der Kammer zufolge für den Zeitraum bis zum 20.2.2011 verantwortlich, da unsicher ist, ob er später noch Einfluss über den Geheimdienst hat.

(4) Vollstreckt werden müssen die Haftbefehle von den Mitgliedstaaten des IStGH und von Libyen selbst, das als Nichtvertragspartei über Res. 1970 (2011) zur Kooperation verpflichtet wurde, jede Kooperation aber ablehnt. Der Nationale Übergangsrat der Aufständischen hat bereits angekündigt, die Haftbefehle vollstrecken zu wollen. Entgegen der Ansicht des Anklägers deckt Res. 1973 (2011) des Sicherheitsrates eine Festnahme durch fremde (Boden-)Truppen: Dort sind alle (militärischen) Maßnahmen zum Schutz von Zivilpersonen erlaubt (Rn. 4), die Haftbefehle ergehen, um weitere Verbrechen gegen die Bevölkerung zu verhindern (Art. 58 I lit. b] iii] IStGH-Statut und jeweils S. 6 der Haftbefehle).

(5) Völkerrechtlich einwandfrei sind die Haftbefehle keineswegs. Auch politisch dürften sich die Organe des IStGH keinen Gefallen getan haben. Zur effektiven internationalen Strafverfolgung wäre es wohl klüger gewesen, sich nicht in einem Antrag auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und in einem zweiten Antrag auf Kriegsverbrechen zu beschränken (der zweite Antrag wird bereits erwartet, vgl. Spiegel Online), sondern einen umfassenden Haftbefehlsantrag zu stellen, der alle bisherigen Vorwürfe und Zeiträume umfasst.

Update: Der Text ist mit leichten Änderungen vom Institut für Friedenssicherungsrecht und humanitäres Völkerrecht der Ruhr-Universität Bochum  als BOFAX Nr. 388D herausgegeben worden (Download).

Die Vorverfahrenskammer I des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag hat heute drei Haftbefehle in der Libyen-Situation ausgestellt. Leider ist bislang nur die Pressemitteilung veröffentlicht, die Haftbefehle selber noch nicht. Die Kammer ist dabei dem Antrag des Chefanklägers gefolgt, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit als gegeben ansieht. Morgen wird sich der Ankläger in einer Pressekonferenz dazu äußern.

Auch hier wird sich bald dazu ein weiterer Eintrag finden. Näheres zu dem Antrag des Anklägers finden Sie hier und hier.

Update 28.6.: Die Entscheidung der Kammer sowie die Haftbefehle sind nunmehr auf der Website des IStGH online verfügbar.

Während die Verfahren der Darfur-Situation weiter ruhen, hat der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs angekündigt, heute bei der Vorverfahrenskammer die Genehmigung zur Aufnahme von Ermittlungen in der Elfenbeinküste zu beantragen. Dies ist möglich, weil die Elfenbeinküste die Gerichtsbarkeit des IStGH anerkannt hat, ohne den Vertrag ratifiziert zu haben. Das sieht das Statut in Art. 12 Abs. 3 vor (näheres habe ich bereits hier ausgeführt). Sollten die Richter die Ermittlungen gestatten, dann stellt diese Situation die erste vor dem IStGH dar, indem der Ankläger selbst Ermittlungen gegen eine Nichtvertragspartei aufgenommen hat. Die Situation in der Elfenbeinküste ist nach der Libyen-Situation die zweite Situation, die am IStGH im Jahr 2011 neu anhängig wurde.