The Prosecutor of the International Criminal Court has briefed the Security Council on the Situation in Libya for the forth time (cf. first report here).

In the case against Saif-al-Islam al-Gaddafi, currently in detention in Zintan, the Prosecutor recalls that the Libyan government is eager to try Gaddafi at home and not in The Hague. The government is challenging the jurisdiction of the Court before Pre-Trial-Chamber I. It is now up to the judges to decide where Gaddafi will be tried. The Prosecutor is reluctant to demand a trial in The Hague. She reiterated that national criminal jurisdictions have priority over the ICC. This may be correct, however, Libya is most likely not able to conduct a trial that meets basic requirements of a rule-of-law-trial (see here and here). In addition, the Prosecutor does not mention that Libyan and international authorities first need to get a hold of Gaddafi. Right now, he is in detention by some fringe rebel group (more here and here). Den Rest des Artikels lesen >

Kaum im Amt, schon muss die neue Chefanklägerin des IStGH einen neuen Konflikt strafrechtlich untersuchen. Es handelt sich dabei um die Kämpfe in Mali. Den Rest des Artikels lesen >

The outgoing prosecutor of the International Criminal Court (ICC) has recently briefed the Security Council on the situation in Darfur, Sudan. The ICC is investigating the situation and prosecutes alleged crimes against humanity, war crimes and genocide since the Security Council’s referral by resolution 1593 in 2005 (read more here). Moreno Ocampo’s report of June 2012 will be his last in this function. This might explain the open words exchanged. Den Rest des Artikels lesen >

Anfang März hat der IStGH einen Haftbefehl in der Darfur-Situation erlassen. Der nunmehr vierte Haftbefehl erging gegen Abdel Raheem Muhammad Hussein, den derzeitigen Verteidigungsminister des Sudan. In einer früheren Funktion war Hussein Innenminister und Sonderbeauftragter des Präsidenten für Darfur (ähnlich wie Ahmed Harun). Der Haftbefehl erging aufgrund des Verdachts von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Hussein zu Beginn des Konfliktes 2003/2004 begangen haben soll. Damit wächst die Zahl der Beschuldigten auf sechs, wobei das Verfahren gegen einen Beschuldigten eingestellt wurde und das Verfahren gegen zwei Beschuldigte demnächst beginnen soll.

In den nächsten Wochen wird hier eine ausführliche Analyse folgen.

Update: Die Analyse ist nunmehr online und in der Datenbank zu finden.

Am Donnerstag hat der Chefankläger des IStGH dem Sicherheitsrat seinen regelmäßigen Bericht über den Stand der Darfur-Situation vor dem IStGH erstattet.

Neuer Verdächtiger

Zu Beginn berichtet der Ankläger davon, dass ein Haftbefehl gegen einen weiteren Verdächtigen beantragt worden sei. Der derzeitige Verteidigungsminister des Sudan Abdel Raheem Muhammad Hussein stehe unter Verdacht, zu Beginn des Krieges Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit befohlen zu haben. Die Vorwürfe deckten sich dabei mit denen gegen Ahmed Harun und Ali Kushayb (vgl. Analyse Nr. 2).

Hussein war zu Beginn des Darfur-Kinfliktes Innenminister des Sudan und Sonderrepräsentant des Präsidenten in Darfur, ausgestattet mit allen präsidialen Kompetenzen. Einige dieser Kompetenzen soll Hussein an Harun delegiert haben. Hussein sei somit verantwortlich für die Taten des Sicherheitsapparates in Darfur.

Es ist zu begrüßen, dass der Ankläger einen weiteren Verdächtigen, der noch immer in Regierungsverantwortung steht, benannt hat und ein Verfahren gegen diesen anstrengt. Weniger begrüßenswert ist es, dass der Antrag ausdrücklich auch ergeht, um die sudanesische Zentralregierung dazu zu bewegen, Ahmed Harun zu verhaften und an den IStGH auszuliefern.

Stand der laufenden Verfahren

Das Verfahren gegen Banda und Jerbo werde derzeit weiter vorbereitet. Als möglichen Termin für den Start der mündlichen Verhandlung nannte der Ankläger die erste Jahreshälfte 2012. Allerdings habe man sich auf einige wenige Punkte geeinigt, die verhandelt werden sollen. Es geht dabei vor allem um den Angriff auf einen Stützpunkt der AU in Haskanita im September 2007. Sollte der Gerichtshof feststellen, dass die AMIS sich rechtmäßig in Darfur aufgehalten haben, dann sei der Angriff unrechtmäßig – die Verdächtigen stellen in Aussicht, sich in diesem Fall schuldig zu bekennen. Der Ankläger nimmt leider keine Stellung zum Verfahrensstand der anderen Fälle. Dies ist misslich, müssen diese Verfahren doch auch vorangetrieben werden.

Überwachung der Situation in Darfur

Allem voran überwache die Anklagebehörde die Tätigkeiten des Verteidigungsministeriums und dessen Chef. Es bestehe weiterhin die Gefahr, dass dieser seine Position ausnutze, um Verbrechen zu begehen. Daneben bestehe der Verdacht auf Verbrechen gegen humanitäre Helfer in Darfur und auf den Einsatz von Kindersoldaten.

Seine tiefe Besorgnis drückt der Ankläger auch über Vorfälle aus, in denen Zivilisten direkt angegriffen wurden. Nach humanitärem Völkerrecht ist dies grundsätzlich verboten und streng zu ahnden. Insoweit ist dem Ankläger zuzustimmen.

Verstoß gegen Kooperationspflichten

Anfang dieser Woche hat die Vorverfahrenskammer I des IStGH festgestellt, dass sowohl Malawi (hier) als auch der Tschad (hier) gegen ihre Kooperationspflichten verstoßen hätten, indem sie Omar al-Bashir bei dessen Besuch in ihren Staaten nicht festgenommen und an den IStGH überstellt hätten. Eine gewohnheitsrechtliche Ausnahme von der Immunität amtierender Staatsoberhäupter bestehe nicht. Diese Entscheidung ist im Ergebnis zu begrüßen. Denn auf jeden Fall hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine etwaige Immunität al-Bashirs durch die Überweisungsresolution 1593 (2005) aufgehoben. Allerdings ist fraglich, ob eine solche Immunität wirklich besteht (zur näheren Begründung s. meine Ausführungen hier auf S. 791).

Um die genauen Umstände des Todes von Muammar al-Gaddafi herrschen nach wie vor Unklarheiten. Der Chefankläger des IStGH hat nunmehr auf einer Pressekonferenz angekündigt, in diesem Vorfall zu ermitteln. An dieser Stelle ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden, dass eine solche Ermittlung wünschenswert und notwendig ist (zuletzt hier, davor hier und hier). Die Ankündigung des Anklägers ist damit zu begrüßen.

Am Sonntag wurde Saif-al-Islam al-Gaddafi, einer der drei Verdächtigen in der Libyen-Situation, von den Behörden der Übergangsregierung festgenommen. Fest steht, dass er sich vor einem Gericht verantworten muss. Offen ist, ob dieses Gericht ein libysches Gericht sein wird oder ob der IStGH den Fall verhandeln wird. Dazu hat der IStGH die Kompetenz – nicht aber den Vorrang. Dieser bleibt bei Libyen. Nur wenn die libschen Gerichte nicht willens oder nicht in der Lage sind, den Fall nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu verhandeln, ist der IStGH subsidiär zuständig. Dies ist Folge des Grundsatzes der Komplementarität (Art. 17 IStGH-Statut), der Grundlage des IStGH-Systems ist.

Fraglich ist, ob die libyschen Behörden in der Lage sind, ein solches Verfahren durchzuführen. Die Antwort müssen die Organe des IStGH finden, vor allem der Ankläger, der die Vorverfahrenskammer I davon überzeugen muss, dass der Fall vor dem IStGH zulässig ist. (Ganz davon abgesehen, ob der Ankläger den Fall nicht lieber an die libyschen Behörden abgeben möchte.)

Zweifel an der Rechtsstaatstreue zumindest einiger Angehöriger der Übergangsregierung sind angebracht. Nach den noch immer ungeklärten Umständen des Todes von Muammar al-Gaddafi (hier und hier) ist das Verfahren gegen ihn vor dem IStGH zu einem Ende gekommen. Die Vorverfahrenskammer I hat das Verfahren am 22.11.2011 eingestellt (hier). Offensichtlich hat die Sterbeurkunde, die der libysche Übergangsrat nach Den Haag geschickt hat, den Ankläger und die Kammer davon überzeugt, dass Gaddafi wirklich tot ist und sich nicht an einem unbekannten Ort versteckt hält.

Man kann der Entscheidung zustimmen. Gaddafi ist tot und damit ist jede strafrechtliche Überprüfung seiner Taten hinfällig. Das ist keine Besonderheit des Völkerstrafrechts, sondern gute rechtsstaatliche Tradition: Auch im deutschen Recht wird ein Verfahren gegen Tote nicht geführt.

Zu erwähnen bleibt nur, dass der IStGH trotz der Einstellung des Verfahrens gegen Gaddafi selbstverständlich für die Umstände seines Todes zuständig bleibt. Dieser Vorfall kann in Den Haag verhandelt werden. Dass dafür Bedarf besteht, ist hier und hier deutlich gemacht worden.

Der Chefankläger des IStGH hat bekannt gegeben, dass auch Vorwürfe wegen sexueller Gewalt in Libyen geprüft werden, das berichten Spiegel Online und die NZZ. Gaddafi habe nicht nur seinen Soldaten Massenvergewaltigungen befohlen, sondern darüber hinaus auch Potenzmittel an die Soldaten verteilt. Diese Vorwürfe sollen wohl Grundlage für eine zweite „Anklage” gegen Gaddafi sein (so berichtet Spiegel Online). Möglicherweise wird der Ankläger in der zweiten Anklage nicht mehr nur Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern auch Kriegsverbrechen anklagen – eine überfällige Entscheidung.

Berichtet wird weiterhin, dass der Ankläger bereits in den nächsten Tagen eine Entscheidung über den ersten Haftbefehlsantrag erwarte.

Die Darfur-Situation steht still. Derzeit befindet sich kein Verdächtiger oder Angeschuldigter in Den Haag. Vielmehr sind die per Haftbefehl gesuchten Personen noch immer auf freiem Fuß und begehen weitere Verbrechen. Am prominentesten ist der Fall al-Bashir. Der wegen des Verdachts auf Völkermord gesuchte Präsident des Sudan ist nicht nur weiter im Amt, sondern behindert die Arbeit des IStGH wo immer er nur kann. Darüber hinaus reist al-Bashir unbehelligt durch Afrika und genießt eine breite Unterstützung anderer Staatsoberhäupter.

Angeregt durch diese Missachtung des IStGH plädiert David Kaye für eine Neuausrichtung des IStGH. Kaye, Direktor des International Human Rights Programs der UCLA, nimmt die für 2012 vorgesehene Neubesetzung des Chefanklägerpostens zum Anlass, seine Sorgen über die Zukunft des IStGH zu äußern (Who´s afraid of the International Criminal Court? in: Foreign Affairs 90 [2011], S. 118 ff.). Seine Bedenken gelten nicht nur der Darfur-Situation sondern der gesamten Arbeit des IStGH: Trotz neun Jahre und fast einer Milliarde Dollar ist noch kein einziger Prozess zum Abschluss gekommen.

David Kayes Kritik

Beachtenswert sind vor allem die folgenden kritischen Aspekte in Kayes Kritik.

David Kaye vermisst eine klare Ausrichtung der Anklagebehörde auf die Strafverfolgung – ein hartes Urteil über eine Strafverfolgungsbehörde. Der derzeitige Amtsinhaber sei, so Kaye, vielmehr auf öffentlichkeitswirksame Maßnahmen aus (Haftbefehl gegen al-Bashir). Moreno Ocampos Amtszeit sei schon jetzt von „micro-managing and erratic decision-making“ gekennzeichnet. Er verstricke sich in Rangeleien um Kompetenzen mit den Kammern des Gerichtshofs; damit werden Spannungen innerhalb des IStGH deutlich, der doch eigentlich als einheitliche Front gegen Völkerstraftäter auftreten sollte.

Den Haftbefehl gegen al-Bashir hält Kaye für eine Fehlentscheidung. Nicht nur sei der Antrag nur ergangen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Es wäre auch sinnvoller gewesen, zuerst einige Fälle gegen Personen auf unteren Kommandoebenen durchzuführen. Dann habe man eine breitere, gesicherte Basis um gegen höhere Befehlshaber vorzugehen. Weiterhin habe der Ankläger riskiert, dass der Haftbefehl nicht vollstreckt wird und so zunächst die Effektivität beeinträchtigt und danach die Glaubwürdigkeit und den Ruf des IStGH aufs Spiel gesetzt wurden. Der IStGH erweisst sich, mit einigen unvollstreckten (oder unvollstreckbaren?) Haftbefehlen eben als der Papiertiger, den Befürworter der IStGH fürchten und Kritiker des IStGH herbeisehnen.

Dem Ankläger ist aber zugutezuhalten, dass al-Bashir wohl in der geheimen Liste von 51 Verdächtigen steht, die die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen schon 2005 an den IStGH übergeben hat. Kaye übersieht diesen Punkt in seiner Kritik.

Auf die Liste kommt Kaye dennoch zu sprechen; er nutzt sie als weiteren Angriffspunkt gegen Moreno-Ocampo. Kaye kritisiert, zu Recht, dass erst gegen fünf Personen Verfahren vor dem IStGH geführt werden und dass das Verfahren gegen Abu Garda im Vorverfahren eingestellt wurde (vgl. Analyse Nr. 5). Der Ankläger kennt aber seit 2005 mindestens 45 weitere Personen, gegen die ermittelt werden kann. Warum gegen diese nicht ermittelt wird, ist nicht auszumachen; es mag aber an den begrenzten Ressourcen des Gerichtshofs liegen.

Die Wirkungslosigkeit des IStGH sei aber nicht nur dem IStGH und dem Ankläger zu verdanken. Ebenso in der Pflicht sieht Kaye den Sicherheitsrat. Dieser hat die Darfur-Situation an den IStGH überwiesen und damit zumindest politisch Verantwortung übernommen – auch für die Zukunft des Verfahrens. Für eine effektive internationale Strafverfolgung ist die Hilfe des Sicherheitsrates unerlässlich: Haftbefehle könnten vollstreckt werden, wenn der Sicherheitsrat solchen Staaten mit Sanktionen drohen wurde, die die Haftbefehle des IStGH missachten und Verdächtige frei ein- und ausreisen lassen. Über die Darfur-Situation hinaus gelte dies, so Kaye, auch für alle anderen anhängigen Situationen vor dem IStGH.

Verschlechterung der Lage durch Überweisung der Libyen-Situation?

Nur zwischen den Zeilen gibt Kaye zu verstehen, dass die Überweisung der Libyen-Situation die Lage verkomplizieren wird.

Den Antrag auf den Erlass von Haftbefehlen in der Libyen-Situation hält David Kaye für einen Fehler. Nicht nur, dass der Ankläger die Situation erst ausermitteln sollte, er sollte vor allem nicht schon wieder an der Spitze der Befehlskette anfangen und Muammar al-Gaddafi vor den IStGH stellen wollen. Der IStGH sei schlicht überfordert, wenn er gegen zwei amtierende Staatsoberhäupter gleichzeitig ermittelt.

Kaye bemängelt, dass im Verfahren gegen Thomas Lubanga Dyilo verpasst wurde, die Anklage möglichst breit zu streuen und viele mögliche Punkte anzuklagen. In diesem Verfahren vermisse er vor allem Anklagepunkte wegen sexueller Gewalt und geschlechterspezifischen Verbrechen.

Die Kritik gilt, das sagt Kaye nicht, auch für den ersten Haftbefehlsantrag in der Libyen-Situation. Auf dieser Website wurde bereits verschiedentlich darauf hingewiesen, dass in Libyen nicht nur Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern auch Kriegsverbrechen in Betracht kommen. Der Ankläger hat seinen Antrag von Mai 2011 aber ausdrücklich nicht auf die Begehung von Kriegsverbrechen erstreckt. Warum er eine solche Beschränkung vornimmt, obwohl er inzwischen die Existenz eines bewaffneten Konflikts anerkennt, bleibt für mich unverständlich. Dank der Beschränkung muss sich die Anklage nunmehr auf den Begehungszusammenhang bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit konzentrieren – wie die Kenia-Situation zeigt, wird dies nicht einfach werden (vgl. Analysen Nr. 9 und 10, Analyse Nr. 11 mit weiteren Ausführungen zu diesem Problem erscheint demnächst).

Was ist von der Kritik zu halten?

Was ist von der Kritik zu halten? Kaye hat in vielen Punkten Recht, so sind insb. nicht alle Schritte der Anklagebehörde nachzuvollziehen. Allerdings muss man dem IStGH anrechnen, dass er gegen viele Widerstände zu kämpfen hat und eben nicht dafür verantwortlich gemacht werden kann, nicht die volle Unterstützung der Staatengemeinschaft zu haben. Insbesondere der Sicherheitsrat ist immun gegen Kritik von Außen. Im Interesse der effektiven Strafverfolgung dürfte es aber liegen, sich zunächst auf low-profile Täter zu konzentrieren, bevor aufgrund auch der dort ermittelten Sachverhalte die Spitze der Befehlskette angegangen wird. Auch darf nicht vergessen werden, dass der Ankläger nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung hat um sechs Konflikte aufzuarbeiten, von denen er fünf überwiesen bekommen und sich nur eine „selbst ausgesucht“ hat. Insofern sind wohl die Staaten und der Sicherheitsrat in der Pflicht, bevor dem Ankläger die Schuld an mangelndem Erfolg gegeben werden kann.