Die neueste Analyse Nr. 12 mit dem Titel “Der Haftbefehl gegen Abdel Hussein von März 2012″ ist verfügbar. Sie können Sie entweder online lesen und kommentieren oder in der Datenbank herunterladen.

Die Analyse Nr. 13, The Report of the International Commission of Inquiry on Libya – A first Assessment, wird voraussichtlich Ende Mai erscheinen.

Der Sicherheitsrat hat am 2. Mai eine Resolution erlassen, die sich mit dem Konflikt in Heglig befasst (mehr dazu hier). Die Resolution wird auf diesem Blog vorgestellt werden.

Nur kurz möchte ich daher erwähnen, dass der Sicherheitsrat den beiden Staaten nur 48 Stunden zugestand, sich aus den umstrittenen Regionen zurückzuziehen. Die Lage zwischen den beiden Staaten sieht er daher als Gefahr für den Weltfrieden im Sinne des Art. 39 VNCh an, das ist auch richtig so. Sollten die Staaten die Maßnahmen nicht bis heute ergreifen, kündigt der Sicherheitsrat Maßnahmen nach Art. 41 VNCh an, also weitere Sanktionen.

In Heft 4/2011 der Zeitschrift Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften ist ein Aufsatz von Manuel Brunner und mir zu dem Konflikt in Libyen erschienen. Er ist auf den Seiten der Zeitschrift online verfügbar.

Die schlimmsten Befürchtungen scheinen sich zu bewahrheiten: Sudan und Südsudan steuern auf einen bewaffneten Konflikt zu. Dabei hat die Loslösung des Südsudan vom (Rest-)Sudan im Sommer des letzten Jahres die Hoffnung genährt, dass die schwierige Beziehung der beiden Regionen verbessert werden könnte. Allerdings war schon damals absehbar, dass die ungeklärten Fragen um das Öl Anlass für zukünftigen Streit werden würden/könnten.

Dabei bestand durchaus Anlass zur Hoffnung (auch hier in diesem Blog), während andere die Lage – leider – realistischer einschätzen. Die friedliche Staatswerdung des Südsudan sollte die United Nations Mission in the Republic of South Sudan (UNMISS) sicherstellen. Bis heute sind mehr als 5.500 Soldaten, Militärberater und Polizisten im Einsatz, um das Mandat zu erfüllen. Zusätzlich sind nahezu 4.000 Soldaten und Militärberater in der United Nations Interim Security Force for Abyei (UNISFA) im Einsatz. Die UNISFA soll die Demilitarisierung der umstrittenen Region Abyei sichern (mehr hier). Diese Region ist aufgrund der Ölvorkommen zwischen den beiden Staaten umstritten. Zwar wurde durch einen Schiedsspruch des Permanent Court of Arbitration im Jahr 2009 der Großteil der Region dem Sudan zugesprochen, aber nicht alle Probleme wurden gelöst.

Der Konflikt um Heglig

Um einen der ungeklärten Streitpunkte wird derzeit mit Waffengewalt gerungen. Der Präsident des Südsudan, Salva Kiir, hat einen Staatsbesuch in China abgebrochen und von “Krieg” zwischen den beiden Staaten gesprochen. Es handelt sich dabei um die Region um Heglig. Heglig ist eine kleine Stadt, die zum sudanesischen Bundesstaat Süd-Kordofan gehört und an der Grenze zum Südsudan liegt.

 

Quelle: Wikipedia, eigene Ergänzungen

 

Der Südsudan hat im April 2012 die Region um Heglig militärisch besetzt. Begründet wurde diese Operation mit dem Recht des Südsudan auf Selbstverteidigung, denn der Sudan soll zuvor südsudanesisches Territorium angegriffen haben. Der Sudan sieht hingegen in der Aktion eine militärische Aggression. Bereits nach wenigen Tagen zogen sich die südsudanesischen Truppen wieder zurück. Nach den Angaben des Südsudan geschah dies freiwillig, nach sudanesischen Angaben wurden die Truppen aber gewaltsam zurückgeschlagen. So kündigte der Verteidigungsminister des Sudan, Abdel Raheem Muhammad Hussein, bereits vor dem Rückzug an, Heglig mit “allen Mitteln” zurückzuerobern. Dass Hussein vom IStGH per Haftbefehl wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Darfur gesucht wird, sei nur am Rande erwähnt.

Ebenso besorgniserregend ist es, dass Süd-Kordofan von Ahmed Harun regiert wird. Auch Harun wird vom IStGH per Haftbefehl wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Darfur gesucht. Es handelt sich dabei um dieselben Vorwürfe wie gegen Hussein. Als ob dies nicht genug Grund zur Sorge böte, soll er im Konflikt im Heglig bereits Kriegsverbrechen befohlen haben (hier).

Human Rights Watch dokumentiert darüber hinaus, dass der Sudan den Grenzkonflikt mit dem Südsudan zum Anlass nimmt, in Blue-Nile-State, einem seiner Bundesstaaten, unterschiedslose Angriffe gegen die Zivilbevölkerung durchzuführen und dass dort Kriegsverbrechen begangen werden.

Die Reaktion der Staatengemeinschaft

Die Staatengemeinschaft reagiert vor allem durch die Vereinten Nationen auf die Krise. So hat der Präsident des Sicherheitsrates in seinen Erklärungen vom 6. März 2012 und 12. April 2012 die Sorge des Sicherheitsrates über die angespannte Situation geäußert, beide Seiten aufgefordert, ihre jeweiligen Militäraktionen zu stoppen und ihre Truppen aus Abyei zurückzuziehen. In Reaktion auf die Kämpfe um Heglig hat der Sicherheitsrat den Südsudan aufgefordert, seine Truppen zurückzuziehen.

Eine Sicherheitsratsresolution nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen wurde bislang nicht verabschiedet (und, soweit ersichtlich) auch nicht vorgeschlagen. Dafür ist erforderlich, dass der Sicherheitsrat eine Bedrohung des Weltfriedens feststellt. Militärische Gewalt zwischen zwei Staaten, die noch dazu von martialischen Äußerungen von beiden Konfliktparteien begleitet wird, stellt eine solche Gefahr dar. Dies erkennt auch der Präsident des Sicherheitsrates, wenn er in der letzten Erklärung eben dies feststellt. Darüber hinaus kündigte er an, bei Bedarf weitere Schritte zu ergreifen. Damit ist eine Resolution nach Kapitel VII der Charta gemeint. Welche konkreten Maßnahmen aber getroffen werden könnten, verschweigt der Präsident.

Der Konflikt um Heglig und der IStGH

Weder der Sudan noch der Südsudan sind Vertragsparteien des IStGH-Statuts. Eine strafrechtliche Aufarbeitung oder Begleitung des Konfliktes zwischen den beiden Staaten kommt daher nicht in Betracht.

Daran ändert auch die Sicherheitsratsresolution 1593 (2005) nichts, durch welche die Situation in Darfur an den IStGH überwiesen wurde (mehr hier). Zwar ist lokal nicht genau bestimmt, was zu der “Situation” gehört. Allerdings ist erforderlich, dass ein Bezug zu dem Konflikt in Darfur vorliegt. Kommt es aber im Verlauf der Gefechte um Heglig oder Abyei zu Kriegsverbrechen, so dürfte ein solcher Bezug nicht zu erkennen sein.

Auch hat der Sudan wenig Interesse daran, einseitig die Zuständigkeit des IStGH für den Konflikt um Heglig zu begründen. Dies wäre durch eine ad-hoc-Anerkennung, begrenzt eben auf diesen Konflikt, möglich. Damit würde sich der Sudan aber in Widerspruch zu seiner Ablehnung des Gerichtshofs im Darfur-Konflikt setzen, und daher ist eine solche Anerkennung illusorisch. Eine Anerkennung durch den Südsudan würde auf den Konflikt um Heglig keine Auswirkungen haben, da Heglig nun einmal nicht im Südsudan, sondern im Sudan liegt.

Eine erneute Überweisung durch den Sicherheitsrat an den IStGH ist illusorisch. Daneben ist fraglich, ob eine solche Überweisung überhaupt Sinn ergeben würde. Immerhin werden zwei der Beteiligten bereits mit Haftbefehlen des IStGH gesucht, Harun sogar schon seit 2007. Daran ist deutlich zu erkennen, welchen Abschreckungseffekt die Haftbefehle haben. Bevor der Sicherheitsrat also eine neue Front eröffnet und dem IStGH mehr Arbeit zumutet, sollte der Sicherheitsrat den bestehenden Haftbefehlen zu mehr praktischer Wirksamkeit verhelfen. (Seine Überweisung hat der Sicherheitsrat wohl schon verdrängt: In der neusten Darfur-Resolution, Res. 2035 (2012) vom 17. Februar 2012, werden weder die Res. 1593 (2005) noch der IStGH erwähnt.)

Ergebnis

Die Spannungen zwischen den beiden Staaten werden auch in den nächsten Monaten zu weiterer Gewalt führen. Es bleibt zu hoffen, dass die Staatengemeinschaft entschlossen handeln wird und dass zumindest ein ausgewachsener bewaffneter Konflikt verhindert wird.

Joseph Kony, Anführer der Lord’s Resistance Army in Uganda, wird seit 2005 per Haftbefehl vom IStGH gesucht. Bisher konnte er nicht gefasst werden. Dies soll die Kampagne “Kony 2012″ ändern (mehr dazu hier). Nunmehr sind Gerüchte laut geworden (hier und hier, die arabische Meldung auf der Originalwebseite der SLM-MM hier kann ich leider nicht lesen), wonach Kony in Darfur sein soll. Ob dies wahr ist, kann kaum beurteilt werden. Die Gerüchte werden von Mini Minawis Sudan Liberation Movement (SLM-MM) gestreut. Minawi war Rebellenführer, nach dem Friedensabkommen von 2006 Mitglied der sudanesischen Zentralregierung und nach deren Scheitern ist er wieder Rebellenführer. Die Meldung mag daher nur der Versuch sein, von der Aufmerksamkeit für Kony zu profitieren.

In den letzten Tagen gab es zwei Nachrichten, die ich nicht vorenthalten möchte:

Al Jazeera hat vor einigen Tagen von neuen Vorwürfen gegen Ahmed Harun berichtet. Ihm wird vorgeworfen, als Governeur von Süd-Kordofan Kriegsverbrechen befohlen zu haben. Süd-Kordofan grenzt an den Südsudan und ist seit einigen Monaten Schauplatz des Konfliktes zwischen Sudan und Südsudan. Harun habe, so der Vorwurf, sudanesische Soldaten dazu aufgerufen, keine Gefangenen zu machen. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wovon der Chefankläger des IStGH ausgeht, dann kann der Aufruf ein Kriegsverbrechen nach Art. 8 Abs. 2 lit. b) num. xii) IStGH-Statut darstellen. Wenn die Vorwürfe stimmen, zeigt der Vorfall leider deutlich auf, welche Wirkung einem internationalen Haftbefehl zukommt, der jahrelang nicht vollstreckt wird.

CNN berichtet heute, dass der IStGH die libysche Regierung erneut aufgefordert hat, Saif-al-Islam al-Gaddafi nach Den Haag zu überstellen. Dazu ist hier bereits einiges geschrieben worden (zuletzt hier).

Klarstellung:

Qualifiziert man den Darfur-Konflikt als internationalen bewaffneten Konflikt, dann können die Ankündigungen von Harun Kriegsverbrechen nach Art. 8 Abs. 2 lit. b) num. xii) IStGH-Statut darstellen. Stuft man den Konflikt aber als nicht-internationalen Konflikt ein, wovon auch der IStGH ausgeht, dann ist Art. 8 Abs. 2 lit. e) num. x) IStGH einschlägig.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit Resolution 2040 vom 12. März 2012 erneut die Resolutionslage der aktuellen Entwicklung in Libyen angepasst.

Dabei betont der Sicherheitsrat zwar, wie positiv die Entwicklung oft verläuft. Insbesondere erwartet er von den Wahlen im Juni 2012 einen weiteren Fortschritt.

Er zeigt sich aber besorgt über die Gewalt gegen Kinder und Frauen. So müssten deren Menschenrechte gewährleistet werden. Er verweist dabei auf die menschenrechtlichen und humanitär-völkerrechtlichen Verpflichtungen Libyens. Die dafür Verantwortlichen müssten gefunden und zur Verantwortung gezogen werden.

Warum der Sicherheitsrat auf die humanitär-völkerrechtlichen Verpflichtungen verweist, ist nicht nachvollziehbar. Das humanitäre Völkerrecht ist nur in einem bewaffneten Konflikt anwendbar. In Libyen existiert aber seit dem Herbst letzten Jahres weder ein internationaler noch ein nicht-internationaler bewaffneter Konflikt. Der Verweis des Sicherheitsrates geht hier also fehl (ich gehe nicht davon aus, dass der Sicherheitsrat damit humanitär-völkerrechtliche Verpflichtungen für Friedenszeiten schaffen wollte).

In einem Schritt unter Kapitel VII der VN-Charta verlängert er das Mandat der United Nations Support Mission in Libya (UNSMIL) um ein Jahr, wobei nach sechs Monaten eine Zwischenevaluierung vorgenommen werden soll. Diese UNSMIL soll insb. bei dem Übergang zu einem demokratischen Regierungssystem und bei der Entwaffnung weiter Bevölkerungsteile Hilfe leisten.

Der Sicherheitsrat ändert darüber hinaus das bestehende Waffenembargo und die Vermögenseinfrierungen, ohne diese komplett aufzuheben. Dazu verlängert er auch das Mandat der Expertengruppe, die den 1970-Sanktionsausschuss in seiner Arbeit unterstützt.

Nach jeweils 60 Tagen soll der Generalsekretär dem Sicherheitsrat berichten. Man darf also gespannt bleiben, wie es weitergeht.

Am Mittwoch, den 14. März hat der IStGH sein erstes Urteil gefällt. Thomas Lubanga Dyilo, ein kongolesischer Rebellenführer, wurde der Kriegsverbrechen für schuldig befunden. Ein Strafmaß wird später festgesetzt.

Dieses Urteil wird sicherlich eine Flut von Publikationen nach sich ziehen. Die Kollegen Becker und Brunner haben mit ihrem BOFAX vom 19.3. den Anfang gemacht. Im Laufe des Tages sollte es hier zu finden sein.

Am Freitag wurde Abdullah al-Senussi, der ehemalige Geheimdienstchef Libyens, in Mauretanien verhaftet (Bericht auf Spiegel Online). Senussi wird seit dem letzten Sommer mit einem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gesucht. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt (näheres hier, hier und hier).

Libyen hat die Auslieferung Senussis beantragt. Mauretanien ist nicht Vertragspartei des Römischen Statutes. Es gibt daher keine Verpflichtung, mit dem Strafgerichtshof zu kooperieren oder den Verdächtigen gleich nach Den Haag zu überstellen. Auch die Resolutionen des VN-Sicherheitsrates verpflichten Mauretanien nicht zur Kooperation.

Rechtlich zulässig sind die folgenden Möglichkeiten:

1. Mauretanien liefert Senussi an Libyen aus. Dazu ist es bei einem Antrag Libyens berechtigt. In der Folge kann Libyen

a) seine Strafgewalt selbst ausüben oder

b) Senussi an den IStGH überstellen.

Nach dem Grundsatz der Komplementarität hat die Strafverfolgung durch Libyen sogar Priorität. Erst wenn libysche Behörden nicht willens oder nicht in der Lage sind, ein rechtsstaatliches Verfahren durchzuführen, darf der IStGH ein Verfahren durchführen.

Daneben gibt es eine weitere Möglichkeit:

2. Mauretanien stellt Senussi selbst vor Gericht. Ein solches Verfahren könnte die Vorwürfe der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit umfassen. Es müsste allerdings auf dem Weltrechtsprinzip basieren. Demnach darf jeder Staat über einen Völkerrechtsverbrecher zu Gericht sitzen und dessen Taten strafrechtlich ahnden, selbst wenn es keinen Bezug zum Inland gibt. Die herrschende Meinung erkennt wohl an, dass das Weltrechtsprinzip für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gilt (so auch der deutsche Gesetzgeber, der dies in § 1 des Völkerstrafgesetzbuches vorsieht).

Wahrscheinlich ist, dass Mauretanien Senussi an Libyen überstellt und dort ein Prozess stattfinden wird. Allerdings ist zweifelhaft, ob dieses Verfahren rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt. Es sei nur darauf hingewiesen, dass Saif-al-Islam al-Gaddafi, den der IStGH gerne in Den Haag sehen würde (und der selber gerne nach Den Haag überstellt werden würde), noch immer von libyschen Rebellen festgehalten wird. Ob ein Prozess gegen ihn stattfinden wird, ist unklar.

Anfang März hat der IStGH einen Haftbefehl in der Darfur-Situation erlassen. Der nunmehr vierte Haftbefehl erging gegen Abdel Raheem Muhammad Hussein, den derzeitigen Verteidigungsminister des Sudan. In einer früheren Funktion war Hussein Innenminister und Sonderbeauftragter des Präsidenten für Darfur (ähnlich wie Ahmed Harun). Der Haftbefehl erging aufgrund des Verdachts von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Hussein zu Beginn des Konfliktes 2003/2004 begangen haben soll. Damit wächst die Zahl der Beschuldigten auf sechs, wobei das Verfahren gegen einen Beschuldigten eingestellt wurde und das Verfahren gegen zwei Beschuldigte demnächst beginnen soll.

In den nächsten Wochen wird hier eine ausführliche Analyse folgen.

Update: Die Analyse ist nunmehr online und in der Datenbank zu finden.